Dr. Benedikt Simon über die Transformation von Kliniken zu Gesundheitsdienstleistern

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Wie wird aus einem Krankenhaus ein innovativer, integrierter Gesundheitsdienstleister? Dr. Benedikt Simon, Chief Officer Integrated and Digital Care bei Asklepios, spricht mit Simeon Atkinson, Co-Founder und Managing Partner von Achtung! InnoHealth über seine maßgeschneiderte Rolle, erfolgreiche Projekte und die Voraussetzungen für innovative Kooperationen. Ein spannender Einblick in die Zukunft der Versorgung!


Benedikt, du bist Chief Officer Integrated and Digital Care bei Asklepios. Was heißt das eigentlich?

Der Titel ist ein herrlich nichtssagender Titel. Er ermöglicht mir auf der einen Seite, mich vielen Themen zu widmen, und auf der anderen Seite ermöglicht es dem Vorstand, viele Themen bei mir zu platzieren. Im Kern geht es aber darum, wie wir Asklepios weiterentwickeln von einem großen Krankenhausträger in einen ganzheitlichen Versorgungsanbieter. Das heißt, wir verbinden Versorgungsangebote über Sektorengrenzen hinweg – innerhalb und außerhalb des Konzerns – und wir können sie mit unterstützenden, digitalen Leistungsangeboten verknüpfen. Dies alles immer vor dem Hintergrund, Mehrwert für die Leistungsträger und vor allem die Patient*innen zu schaffen.

Die Stelle gab es vorher nicht. Sie wurde für dich maßgeschneidert. Welche prägenden Erfahrungen fließen dabei ein?


In der Rolle kann ich darauf aufbauen, dass ich in meiner Vergangenheit Managementerfahrung in allen Sektoren sammeln durfte. Bei AMEOS habe ich das Thema Krankenhausmanagement von der Pike auf gelernt und am Ende auch MVZs verantworten dürfen. Parallel habe ich über hausärztliche Versorgung promoviert. Nach einem Abstecher bei McKinsey gewann ich bei MEDIAN als Leiter Business Development und später als einer von vier Geschäftsführern tiefen Einblick in die Rehabilitation und post-stationäre Versorgung. Vor meiner Stelle bei Asklepios war ich dann ein Jahr in den USA bei Kaiser Permanente*.

Was gelingt Kaiser Permanente, wovon wir im deutschen Gesundheitswesen mehr gebrauchen können?

Aufgrund der prospektiven Budgets als Vergütungsform hat Kaiser Permanente die volle Verantwortung für die Kosten und die Qualität der Versorgung. Daraus ergeben sich völlig andere Anreize und Logiken für die Versorgung der Versicherten. Krankenhausversorgung ist dort ein reines Cost-Center. Auch vereinigt Kaiser Permanente alle Elemente entlang der Versorgungskette. In Summe fallen dadurch viele negative Anreize in der Versorgungsgestaltung weg, die wir in Deutschland (noch) haben.

Wie lässt sich das in Deutschland umsetzen? Welche Rolle spielen Qualitäts- und Selektivverträge?

Wir können in Deutschland nicht den Schalter umlegen und auf ein solches System wechseln. Das halte ich für ausgeschlossen, aber wir können uns in die Richtung entwickeln und Vorstufen eines solchen Modells erreichen. In diesen Vorstufen geht es beispielsweise darum, dass wir einen Leistungskomplex vereinbaren, der über die Einzelleistung hinausgeht und einen Versorgungspfad abdeckt. Dies ist aber nur über Selektivverträge zwischen innovativen Leistungserbringern und innovativen Leistungsträgern möglich.

Machen wir das einmal konkret. In welchem Projekt ist das bereits gelungen?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von neuen Versorgungspfaden entwickelt. So haben wir mit Unterstützung von Caspar Health einen Qualitätsvertrag für Hüft- und Knie-TEP-Patient*innen entwickelt, der an 15 Standorten umgesetzt wird. Hier haben wir nicht mehr nur die Verantwortung für die sechs bis sieben Tage in der Akutklinik, sondern für einen Behandlungspfad von einem Monat vor der OP bis zwölf Monate danach.

In der Geburtshilfe haben wir seit Dezember ebenfalls einen Q-Vertrag in der Umsetzung. Hier setzen wir auf Minddistrict als Technologie-Partner, mit dem wir eine App entwickelt haben, an der wir einen Versorgungspfad aufgehängt haben.

Besonders freue ich mich aber über die in 2025 anstehende Implementierung von virtuellen Krankenhausstationen. Hier haben wir dank der Unterstützung vieler Krankenkassen einen Antrag beim Innovationsfonds platzieren können, den wir mit Doccla zusammen umsetzen werden.

Du hast mir erzählt, dass du ständig von Start-ups kontaktiert wirst, die mit Asklepios zusammenarbeiten wollen. Was müssen Innovatoren mitbringen, um für eine Zusammenarbeit in Frage zu kommen?

Leider kann ich mich viel zu wenig mit den guten Ideen von Start-ups beschäftigen. Aber häufig ist die Ansprache auch unausgereift. Es hilft mir wenig, wenn nur eine neue Idee platziert wird und hier ein Preisschild dran ist. Meine Frage ist, was ist der Business Case für die Krankenkassen? Warum sollte ein Leistungsträger mit mir einen Vertrag machen für diese neue Versorgungsform.

Kliniken stehen größtenteils finanziell gar nicht gut da. Wie funktioniert es, dass aus einer innovativen Kooperation auch ein Business Case wird?


Wir müssen uns bewusst machen, dass wir die Gesundheitsversorgung in der bestehenden Form nicht weiter werden finanzieren können. Das heißt, wir müssen gemeinsam identifizieren, wie wir Versorgung für Leistungsträger günstiger gestalten können oder zu den gleichen Kosten besser machen können. Hierüber können wir Value kreieren für Leistungsträger und Patient*innen.

Was wäre dein Rat an Kliniken, die noch nicht so weit sind? Wie können sie mithalten, trotz klammer Kassen?


Was wir machen, ist keine Raketen-Technik. Es geht darum, die Potenziale zu identifizieren und gemeinsam mit innovativen Unternehmen hier Lösungen zu entwickeln. Vieles von dem, was wir tun, ist aber auch nicht neu. Die Virtual Wards** gibt es im britischen NHS-System seit Jahren. Selbstverständlich sind wir aber auch gerne bereit zu teilen. Das heißt, wenn ein anderes Haus unsere Konzepte umsetzen möchte, dann unterstützen wir gerne.


*Kaiser Permanente ist ein US-amerikanischer Gesundheits- und Versicherungskonzern, der als Pionier einer modernen, integrierten Gesundheitsversorgung gilt. Das Unternehmen vereint Krankenversicherung, medizinische Versorgung und Krankenhausmanagement unter einem Dach, um durch Prävention, digitale Innovationen und Patientenzentrierung hochwertige und kosteneffiziente Gesundheitsleistungen zu bieten.


**Virtual Wards (virtuelle Krankenhausstationen) ermöglichen es Patient*innen, die benötigten Leistungen zu Hause zu erhalten, anstatt im Krankenhaus zu sein. Genau wie im Krankenhaus werden sie von einem multidisziplinären Team betreut, das eine Reihe von Untersuchungen und Behandlungen durchführen kann.