„Es gibt immer drei Seiten der Medaille“

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Im Interview: Melanie Wendling, Geschäftsführerin des bvitg e.V.

Melanie Wendling führt den Bundesverband Gesundheits-IT, der Jahr für Jahr Europas größtes Digital-Health-Event – die DEMEA – veranstaltet. Im Interview mit Achtung! InnoHealth Geschäftsführer Simeon Atkinson beschreibt sie, wie sie ihre Erfahrungen aus Politik, Wirtschaft und Rechtswesen in einer starken Verbandsarbeit verbindet – für eine digitale Zukunft der Branche.


Frau Wendling, Ihr Einstieg ins Gesundheitswesen ist sehr stark mit einer prominenten Figur verknüpft. Wie sah Ihr Weg von der RTL-Journalistenschule in Köln in den Berliner Politikbetrieb aus?

Ich war lange Jahre persönliche Referentin der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Es ist aber eher umgekehrt gewesen: Die Journalistenschule war ein Gastspiel. Ich habe schon als Studentin für Ulla Schmidt in Bonn gearbeitet. Als der Bundestag nach Berlin zog, hatte ich mein Studium noch nicht beendet. Mir fehlte quasi meine
Einkommensquelle und deshalb habe ich mich an der Journalistenschule beworben. Und während der Zeit dort habe ich dann auch endlich das erste Staatsexamen in Rechtswissenschaften gemacht.

Sie sind dann mit Ulla Schmidt ins Ministerium gewechselt – und später zur Telekom. Auch für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) haben Sie gearbeitet. Wie helfen Ihnen all diese Erfahrungen in Ihrer jetzigen Rolle beim bvitg?


Ich versuche, nicht eindimensional zu denken. Mein Credo ist: Es gibt immer drei Seiten der Medaille – wie die eine Seite es sieht, wie die andere Seite es sieht und so, wie es wirklich ist. Und die Aufgaben haben mir gezeigt, wie vielfältig das Gesundheitswesen ist. Ebenso die Menschen, die daran und vor allem darin und damit arbeiten. Deshalb
sind Einheitslösungen auch oft nicht die besten.

Welche Themen beschäftigen Sie gerade am meisten?


Zum einen beschäftigt uns als bvitg beispielsweise das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG), das voraussichtlich Mitte Oktober im Parlament diskutiert wird. Die Weiterentwicklung der gematik zur Digitalagentur ist für die Digitalisierung des Gesundheitswesens bedeutsam.

Allerdings geht das GDAG an vielen Stellen zu weit und greift zum Teil tief in den freien Wettbewerb ein. Es stellt sich die Frage, wo die Regulierungszuständigkeit der zentralen
Institution beginnt, und vor allem, wo sollte sie enden? Dadurch findet eine Wettbewerbsverzerrung statt, die besonders den Mittelstand bedroht. Darüber hinaus werden auch marktwirtschaftliche Akteure gehindert, durch Kreativität optimale Lösungen und Mehrwerte für die Nutzenden entwickeln zu können. Das ist besonders bitter für alle Beteiligten.

Zum anderen ist der Start der elektronischen Patientenakte (ePA) ab dem 15. Januar 2025 ein großes Thema. Eine realistische Erwartungshaltung aller Beteiligten und eine offene und ehrliche Kommunikation sind dafür das A und O.

Es muss beispielsweise klar sein, dass die ePA zunächst schrittweise und in abgespeckter Form eingeführt wird und dass es zu Beginn wahrscheinlich ruckeln wird. Aber ich bin mir sicher, wir werden es schaffen.

Stoßen Sie mit Ihren Positionen in der Politik auf offene Ohren? Wie offen sind Politiker*innen für das Thema Digital Health?


Wir bemerken, dass in den letzten Jahren das Thema Digital Health spürbar an Relevanz gewonnen hat und das ist selbstverständlich auch bei Politiker*innen so. Besonders deutlich wurde es auch bei der diesjährigen DMEA, auf der fraktionsübergreifend zahlreiche hochkarätige Politiker*innen mit uns das Gespräch gesucht haben und sehr interessiert an den Innovationen im Bereich Digital Health waren. Allerdings vermissen wir vor allem bei Gesundheitspolitiker*innen einen wirtschaftlichen Blickwinkel. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird in Deutschland maßgeblich von Klein- und Mittelständlern gestaltet – der Frust über das fehlende Verständnis für den Gesundheitsmarkt ist in der Branche groß.

Ein anderes großes Thema ist für Sie die DMEA. Der bvitg ist Veranstalter und inhaltlich verantwortlich für Europas größtes digitales Health-Event, das auch für uns bei Achtung! InnoHealth absolutes Pflichtprogramm ist. Was ist Ihre langfristige Vision für die Veranstaltung?


Ein Ziel ist es, die DMEA mehr für Leistungserbringer*innen zu öffnen und somit unseren Teil dazu beizutragen, alle Akteure des Gesundheitswesens zusammenzubringen. Für uns ist und wird allerdings immer der fachlich fundierte Austausch untereinander wichtiger sein als irgendein Showact auf der Bühne. Wir legen sehr viel Wert auf ein qualitativ hochwertiges Kongress- und Dialogprogramm.

Danke! Wir freuen uns schon jetzt auf viele gewinnbringende Expert*innen-Gespräche im kommenden Jahr vom 8. bis 10. April.