Organisatorisches Rückgrat für Praxisnetze
Im Interview: Oliver Frielingsdorf, GF bei Frielingsdorf Consult
Ärzt*innen sind häufig nicht mit den betriebswirtschaftlichen Feinheiten der Praxisführung vertraut. Unter anderem dabei berät Frielingsdorf Consult. Oliver Frielingsdorf ist der Geschäftsführer. Mit Simeon Atkinson von Achtung! InnoHealth spricht er über den Wandel der ambulanten Gesundheitsversorgung und teilt seine Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit medizinischen Netzen und Verbänden.
Herr Frielingsdorf, Sie sind Ihrer Ausbildung nach Ingenieur für Luft- & Raumfahrttechnik. Wie kommt es, dass Sie jetzt schon seit vielen Jahren in der ambulanten Gesundheitsversorgung aktiv sind?
Nach Abschluss meines Ingenieurstudiums in den 90er-Jahren habe ich zunächst einige Jahre in der Industrie gearbeitet. Dies hat mir große Freude bereitet. Im Zuge der Erweiterung unseres Familienunternehmens, das mein Vater in den 80er-Jahren zur Beratung niedergelassener Ärzt*innen gegründet hatte, habe ich mich dann dazu entschlossen, die Branche zu wechseln. Zu diesem Zweck habe ich mein Ingenieurstudium um ein betriebswirtschaftliches Studium ergänzt.
Ich habe den Wechsel bis heute nicht bereut. Die Arbeit im ambulanten Gesundheitswesen ist spannend und ich habe in den gut 25 Jahren mit vielen angenehmen und intelligenten Personen zusammengearbeitet.
Das Familienunternehmen Frielingsdorf Consult wurde 1985 in Köln gegründet. Was ist die Grundlage der fast 40-jährigen Erfolgsgeschichte?
Die Grundlagen hat mein Vater, Günther Frielingsdorf, gelegt. Er ist zwar zum vergangenen Jahreswechsel in den wohlverdienten Ruhestand getreten, seine Werte prägen unser Unternehmen aber bis heute. Hierzu gehören zum Beispiel hundertprozentige Integrität und Orientierung am Nutzen für unsere Auftraggeber – besonders bei der betriebswirtschaftlichen Beratung ihrer Praxen. Wir genießen heute bundesweit einen sehr hohen Bekanntheitsgrad im ambulanten Gesundheitswesen und uns wird großes Vertrauen entgegengebracht. Daher fragen uns Ärzt*innen, Verbände, Investor*innen und Berater*innen laufend für neue Projekte oder Ideen an. Auf diese Weise sind wir stets sehr früh über die wichtigen Branchen-Entwicklungen informiert und können die Geschäftsfelder unseres Unternehmens entsprechend ausrichten.
Sie ruhen sich nicht auf dem Erfolg aus, sondern entwickeln ständig neue Angebote. Dabei spielen Automatisierung und Digitalisierung eine große Rolle. Wie passt das zu Ihrer Beratungstätigkeit?
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist bereits in vollem Gange und uns ist völlig bewusst, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren weiter verstärken wird. Wir sehen dies vor allem als Chance. Natürlich müssen die Risiken erkannt und kontrolliert werden. Wir verstehen unsere Rolle hierbei so, dass wir Innovationen frühzeitig wahrnehmen, diese prüfen und bewerten und sodann Empfehlungen an die von uns betreuten Organisationen und Unternehmen aussprechen können. Wir haben einen ganz guten Marktüberblick. Daneben entwickeln wir auch eigene digitale Werkzeuge, wie beispielsweise unser MVZ-Cockpit, welches heute eine feste Rolle im Controlling-Alltag mehrerer hundert großer Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) spielt.
Nicht nur Ihre Methoden entwickeln sich weiter, sondern auch die ambulante Versorgung befindet sich in einem großen Wandel. Die Rahmenbedingungen für Praxen und MVZ sind so dynamisch wie lange nicht mehr. Welche Entwicklung beschäftigt Sie aktuell besonders?
Eines der Hauptthemen ist natürlich der Mangel an jungen Ärzt*innen. Dieser Mangel ist in ländlichen Regionen um ein Vielfaches stärker zu spüren als in den Metropolregionen. Hinzu kommt eine veränderte Prioritätensetzung, was beispielsweise Praxisabgaben oder auch die Nachbesetzung von Führungspositionen in Ärztegemeinschaften und Verbänden erschwert.
Mit Digitalisierung kann man hier sicher etwas Druck aus dem Kessel nehmen – ohne Ärzt*innen, die persönlich für die Patient*innen tätig sind, wird es aber auf lange Sicht nicht funktionieren. Hier gilt es, die Strukturen im Gesundheitswesen so anzupassen, dass sich junge Ärzt*innen davon angezogen und eingeladen fühlen, eine verantwortungsvolle Rolle einzunehmen – nicht nur als Mediziner*innen, sondern idealerweise auch als Unternehmer*innen und Interessenvertreter*innen.
Daneben prägt ganz aktuell die politisch geförderte Ambulantisierung des Gesundheitswesens unsere Tätigkeit. Die Bedeutung der ambulanten Leistungserbringung nimmt zu. Wir merken das auch daran, dass wir von Krankenhäusern und deren Berater*innen zunehmend stark eingebunden werden.
Die Ambulantisierung ist aktuell auch Thema für viele medizinische Netze und Verbände. Sechs davon sitzen bei Ihnen im Haus und nutzen Ihren Geschäftsstellen-Service. Wie funktioniert Ihre Symbiose mit den Netzen und Verbänden?
Wir sind die Geschäftsstelle für zahlreiche große Praxisverbünde mit zum Teil mehreren Hundert Ärzt*innen. Für diese Verbünde bilden wir das organisatorische Rückgrat. Wir stellen Räumlichkeiten, Personal und die gesamte Infrastruktur einer klassischen Geschäftsstelle zur Verfügung und übernehmen alle Verwaltungsprozesse. So halten wir den Vorständen und Geschäftsführer*innen den Rücken frei, damit diese sich ganz auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können, zum Beispiel die berufspolitische Tätigkeit und die Förderung der angeschlossenen Praxen durch Information, Rat und Projekte.
Oft sind die Vorstände der Netze und Verbände mit Ärzt*innen besetzt, die sich neben ihrem stressigen Alltag ehrenamtlich für ihr Fachgebiet oder ihren Berufsstand engagieren. Welche Herausforderungen erleben Sie dabei?
Das ist ein Spagat. Es engagieren sich in Praxisnetzen oft diejenigen für die Interessen der Ärztegemeinschaft, die auch in der eigenen Praxis – häufig größere Praxen mit mehreren Ärzt*innen – in einer Führungsposition tätig sind. Wir merken schon, dass beides teilweise schwer unter einen Hut zu bringen ist. Und es fehlt leider in vielen Praxisnetzen der Führungsnachwuchs, der bereit wäre, für die Interessen der eigenen Fachgruppe in der eigenen Region Verantwortung zu übernehmen und Zeit zu investieren.
Nach unserer Erfahrung hilft es, wenn sich Praxisnetz und Vorstand auf eine professionell geführte Geschäftsstelle stützen können. Dann fällt schon einmal die Sorge weg, sich als Netzvorstand in Verwaltungstätigkeiten zu verlieren.
In vielen Fällen arbeiten Sie dabei auch mit Industriepartnern zusammen. Welche Rolle spielen diese für den Aufbau schlagkräftiger Netze und Verbände?
Ein großes Praxisnetz benötigt eine ausreichende Finanzierung für den Aufbau und den Unterhalt der eigenen Strukturen und für die Durchführung von Projekten zur Stärkung der angeschlossenen Praxen und der medizinischen Versorgung im Einzugsbereich. Mitgliedsbeiträge reichen hierzu in den meisten Fällen nicht aus. Die Integration von Industriepartnerschaften, zum Beispiel mit Pharmaunternehmen oder Lieferanten, ist daher in den meisten von uns betreuten Netzen notwendig und auch sehr erfolgreich. Die Sicherstellung einer auskömmlichen Finanzierung ist häufig ebenfalls unsere Aufgabe bei der Betreuung von Praxisnetzen und Verbünden.