Effizientere Gutachten dank KI: Wie Zyata psychiatrische Gutachter*innen entlastet

Yves Lehmkuhl 3072x1620

„Unser Ziel ist es, Gutachter von administrativen Aufgaben zu entlasten, damit sie sich auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren können.“

Psychiatrische Gutachten sind oft zeitaufwendig und bürokratisch – doch sie sind essenziell für Menschen, die rechtliche Unterstützung brauchen. Yves Lehmkuhl will das ändern: Mit Zyata bietet er eine digitale Plattform, die den Begutachtungsprozess strukturiert und Ärzte und Ärztinnen entlastet. Künftig soll generative KI sogar beim Verfassen von Gutachten helfen. Warum es bisher keine vergleichbare Lösung gibt und wieso Zyata bewusst auf Bootstrapping setzt, erfahrt ihr hier.

Yves, wie groß ist der Bedarf an psychiatrischen Gutachten in Deutschland?


Psychische Erkrankungen sind weit verbreitet: Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) leiden 28 Millionen Menschen in Deutschland daran. Wer aufgrund seiner Erkrankung den Alltag nicht mehr bewältigen kann und keine familiäre Unterstützung hat, benötigt gesetzliche Betreuung – und dafür ist ein psychiatrisches Gutachten erforderlich. Derzeit sind etwa 1,3 Millionen Menschen gesetzlich betreut. Eine Statistik von 2015 zeigt, dass jährlich rund 395.000 Sachverständigengutachten vor deutschen Gerichten erstellt wurden – die Zahl dürfte inzwischen noch deutlich höher sein.

Ihr bietet mit Zyata eine Art „Betriebssystem“ für psychiatrische Gutachter. Welche Herausforderungen löst ihr?


Unser Ziel ist es, Gutachter von administrativen Aufgaben zu entlasten, damit sie sich auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren können. Zyata bietet dafür eine strukturierte, digitale Plattform, die den gesamten Begutachtungsprozess unterstützt. Unsere Nutzer heben insbesondere zwei Vorteile hervor:

Zyata leitet chronologisch durch die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens. Somit wird das Risiko, etwas zu vergessen, erheblich gesenkt und die Qualität der Gutachten gesteigert.

Befunde werden in Zyata nach dem anerkannten AMDP-Standard erhoben (Anm. der Redaktion: AMDP steht für Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie). Die Software bietet an den relevanten Stellen die entsprechenden Leitlinien aus dem AMDP-Manual, sodass Gutachter die Symptome sicher bewerten können. Das ist wichtig, denn laut den Leitlinien müssen immer dieselben 100 Symptome geprüft werden.

Zusätzlich hilft Zyata bei der Verwaltung von Gutachten und Terminen. Unser langfristiges Ziel ist es, die Plattform kontinuierlich mit weiteren nützlichen Funktionen auszustatten. Ein nächster Schritt wäre, dass Zyata anhand eines gerichtlichen Beschlusses automatisch einen Fall mit allen relevanten Grunddaten anlegt oder beim Formulieren des Gutachtens unterstützt.

Wäre das ein Anwendungsfall für generative KI? Ihr wollt in Zukunft mehr auf diese Technologie setzen. Wie wird das aussehen?

Genau. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist die Unterstützung beim Verfassen von Gutachten. Künftig soll Zyata aus Stichpunkten automatisch Texte generieren, etwa für die Biografie oder Anamnese. Ein weiteres Szenario ist die Automatisierung der Fallanlage: Basierend auf einem gerichtlichen Beschluss könnte Zyata automatisch ein neues Gutachten mit allen vorhandenen Grunddaten anlegen. Auch wenn das keine generative KI im klassischen Sinne ist, würde diese Funktion den Gutachtern viel Zeit ersparen.

Warum gibt es bislang keine vergleichbare Lösung?


Die Entwicklung einer solchen Plattform ist extrem aufwendig und erfordert nicht nur viel Zeit, sondern auch Mut, Geduld und finanzielle Ressourcen. Die meisten psychiatrischen Gutachter sind Mediziner und keine Softwareentwickler – ihnen fehlt oft das technische Know-how zur Umsetzung. Der Vorteil bei Zyata ist, dass unser Team genau die Kompetenzen vereint, die für die Entwicklung nötig sind. Unser Mitgründer Dr. André Schmoller bringt die fachliche Expertise als Gutachter mit, während wir durch unser Netzwerk die notwendigen technologischen Fähigkeiten ergänzen konnten.

Bevor du dich mit medizinischer Software beschäftigt hast, hattest du eine Führungsposition in einer Marketingagentur. Welche Erfahrungen aus dieser Zeit helfen dir heute?

In der Agentur habe ich gelernt, unter Druck lösungsorientiert und kreativ zu arbeiten. Besonders hilfreich ist aber meine Fähigkeit, Kundenanforderungen in technische Lösungen zu übersetzen. Diese Brücke zwischen Medizin und Softwareentwicklung zu schlagen, ist essenziell für den Erfolg von Zyata. Außerdem habe ich dort für mich persönlich das Selbstbewusstsein entwickelt, als Dienstleister auf Augenhöhe mit unseren Kunden zu sprechen. Wenn wir uns zusammen mit unseren Kunden als Team verstehen und jeder seine Kompetenzen mitbringt, dann können wir gemeinsam etwas Großartiges schaffen.

Ihr habt euch bewusst für Bootstrapping entschieden, also für organisches Wachstum ohne externe Investoren. Warum?

Der wichtigste Punkt: Wir können es uns leisten. Die Entwicklung von Zyata ist zeit- und kostenintensiv, aber wir haben eine klare Vision und einen soliden Businessplan, der ohne externe Finanzierung tragfähig ist.

Bootstrapping hat für uns viele Vorteile. Wir können uns voll und ganz auf die Bedürfnisse unserer Nutzer konzentrieren, ohne auf Investorenrückmeldungen achten zu müssen. Unser kleines, eingespieltes Team arbeitet effizient und harmonisch zusammen: So können wir agil auf Marktanforderungen reagieren und unser Produkt kontinuierlich optimieren. In einem kleinen Team mit stetigem Wachstum ist diese Philosophie gut umzusetzen.

Bisher sehen wir keine direkte Konkurrenz, was unsere Position zusätzlich stärkt. Unser Fokus bleibt darauf, Zyata nachhaltig weiterzuentwickeln und psychiatrische Gutachter bestmöglich zu unterstützen.