Start-up trifft Krankenkasse – Einblicke in die Innovationspraxis der AOK
Wir haben Felix Maul, Teamleiter Versorgungsinnovationen bei AOK Rheinland/Hamburg als Referent für unseren Healthcare Innovators Circle am 27. November gewinnen können. Vorab hatte Simeon Atkinson, Co-Founder und Managing Partner von Achtung! InnoHealth die Gelegenheit, ihm vier Fragen zu stellen.
Lieber Felix, wie bringt ihr bei der AOK Rheinland/Hamburg Innovationen in die Gesundheitsversorgung?
Wir sind ein multiprofessionelles Team mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen auf das Gesundheitssystem: ehemalige Startup-Mitarbeitende, Gesundheitsökonom*innen oder auch „AOK-Eigengewächse“, die das System von innen heraus bestens kennen. Häufig erreichen uns spannende Innovationen über direkte Kontakte aus bestehenden Projektkonstellationen. Immer mehr wird aber auch das Innovationsportal der AOK Rheinland/Hamburg genutzt, um den Impuls zu einer Zusammenarbeit zu setzen. Wir schauen uns die innovativen Ideen dann je nach Expertise im Team an, ziehen bei Bedarf Beratungsmediziner*innen hinzu und geben den Einreichenden ein Feedback zu ihrer Idee. Wenn wir Potentiale zur Umsetzung sehen, setzen wir gemeinsame Workshops auf, um die Ideen zu schärfen und idealerweise marktreif auszugestalten. Die Möglichkeiten sind da sehr vielfältig, sodass kreative Gedanken jede Menge Raum finden.
Wie können Start-ups und innovative Unternehmen mit euch kooperieren?
Es gibt verschiedene Konstellationen, die hier denkbar sind. Die häufigste Variante, mit der wir uns beschäftigen, sind selektivvertragliche Ausgestaltungen. Derzeit sind wir in knapp 100 selektivvertraglichen Projekten aktiv und optimieren die Versorgung in den unterschiedlichsten Indikationen. Gemeinsam werden Behandlungspfade erarbeitet, einzubeziehende weitere Akteure diskutiert, die Zielgruppe zugeschnitten, der Zugangsweg definiert, aber auch Vergütungsbestandteile verhandelt sowie die externe Kommunikation besprochen. Man merkt direkt: das ist ein sehr komplexer Prozess von der ersten Idee bis hin zur Versorgung unserer Versicherten, der sich aber definitiv lohnt. Über die rein selektivvertraglichen Vereinbarungen hinaus gibt es z. B. weitere Möglichkeiten im Rahmen von Präventionsleistungen oder aber durch Förderungen im Rahmen des Innovationsfonds.
Worauf achtet ihr bei der Auswahl eurer Partner?
In erster Linie geht es uns um eine vertrauensvolle und agile Zusammenarbeit. Bei all den Aspekten, die für eine funktionierende, innovative Versorgung zu berücksichtigen sind, ist es wichtig, dass vereinbarte Zeitschienen gehalten werden, Aufgabenpakete zuverlässig erledigt werden, aber auch aufkommende Herausforderungen gemeinsam angegangen werden. In den meisten Fällen gelingt uns das sehr gut.
Inhaltlich ist für uns von Bedeutung, dass die Idee oder das Produkt einen Reifegrad mitbringen, der eine Versorgung wirklich zulässt. Wir sprechen hier von der Versorgung unserer Versicherten – da müssen wir natürlich zu 100 % sicher sein, dass Versorgungsansätze studienbasiert und zertifiziert für die Versorgung geeignet sind.
Du bist auch als Dozent für Gesundheitsökonomie tätig. Wie viel Innovation können oder müssen wir uns im Gesundheitswesen leisten?
Insbesondere während einer angespannten Finanzsituation im GKV-System insgesamt, müssen wir uns aktuell noch genauer anschauen, in welche Innovationen eine Investition sinnvoll erscheint. Es gibt Versorgungsansätze, in denen der Mehrwert für die Versicherten so deutlich erkennbar ist, dass auch ohne direkte wirtschaftliche Effekte eine Finanzierung wichtig ist. Idealerweise werden aber beide Felder bedient: eine optimierte Versorgung, die gleichzeitig auch Einsparungen generiert. Das gelingt uns beispielsweise bei Projekten im Bereich der Beatmungsentwöhnung (Projekt Lebensluft – Initiator Helios Krefeld) oder aber in der psychiatrischen Nachsorge nach stationärem Aufenthalt (mit den Partnern von mentalis). Wir haben als AOK Rheinland/Hamburg den Anspruch, die Versorgung aktiv mitzugestalten und für unsere Versicherten bestmögliche Strukturen aufzusetzen. Dafür sind wir weiter bereit, auch über die Regelversorgung hinaus aktiv zu werden. Dennoch braucht es einen bundespolitischen Rahmen und eine solidarische und gerechte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die uns das weiterhin in dieser Art ermöglichen. Das Gesundheitswesen benötigt Innovationen, Digitalisierung und kreative Lösungen, um weiterhin leistungsfähig zu bleiben.
Mehr Impulse und die Möglichkeit, Fragen zu stellen gibt es am 27. November beim Healthcare Innovators Circle in Düsseldorf.