„Trikots haben keine Haltung – aber Menschen schon."

Bis 2030 werden rund 800 Millionen Menschen weltweit Fans des Frauenfußballs sein – das macht ihn laut einer Nielsen-Studie* zu einer der fünf populärsten Sportarten der Welt. Ein Markt, der lange wenig Beachtung fand, wird zum Spielfeld für starke Markenauftritte – das hat die vergangene Fußball-Europameisterschaft der Frauen eindrucksvoll gezeigt: Rekorde bei Zuschauerzahlen, Prämien und TV-Quoten. Für Markenkommunikation perfekte Voraussetzungen, um sprichwörtlich Elfmeter zu verwandeln. Felicia Mutterer, Geschäftsführerin von Achtung! Broadcast, Journalistin und Kommunikationsexpertin mit Fokus auf Sport und Frauen im Sport sowie Co-Gründerin der FC Viktoria Berlin Frauen über Haltung, Reichweite und Relevanz im Sportmarketing.
Felicia, die Zuschauerzahlen bei der EURO waren so hoch wie nie – ein riesiger Erfolg. Welche Marken haben das Momentum besonders gut genutzt?
Die, die früh das Potenzial erkannt haben. AXA zum Beispiel unterstützt den Frauenfußball schon seit 2020 – mit klarer Haltung und dem Anspruch, Wandel im Sport mitzugestalten. Aber auch neue Turnierpartner wie Unilever und Lidl haben geliefert.
Lidl war zum ersten Mal offizieller Partner – was ist Dir aufgefallen?
Die Aktivierung war durchdacht, kanalübergreifend und vor allem: glaubwürdig.
In Deutschland hat Lidl mit „Never Stop Growing“ eine eigene Plattform geschaffen, auf der das Unternehmen seine Geschichte und die aus dem Frauensport bündelt. Außerdem hat Lidl in Partnerschaft mit DAZN eine Dokumentation produziert und das Lidl Youth Camp für Mädchen in der Schweiz organisiert – inklusive Fußballtrainings mit UEFA-Coaches, Workshops zu Ernährung und mentaler Gesundheit sowie persönlicher Weiterentwicklung. Ziel: die Förderung weiblicher Talente, Empowerment und ein gesunder Lebensstil. Das ist mehr als Sponsoring. Das ist ein klares Commitment.
Was macht Sportkommunikation im Frauenbereich für Marken so spannend?
Sie erreicht laut Daten von Agenturen wie Two Circles neue Zielgruppen – weiblich und jünger. Zudem spielen Nahbarkeit, Authentizität und Gestaltungsfreiheit eine Rolle. So entsteht relevanter Content mit echtem Mehrwert. Plus Value for Money.
Welche Kampagnen sind Dir zuletzt besonders im Kopf geblieben?
Die Wimbledon-Spots von Rolex nach dem Finale – jeweils individuell zugeschnitten auf die Gewinner – stark.
Und tatsächlich Lidl, weil mich beeindruckt hat, wie konsequent und kanalübergreifend das Thema Frauensport gespielt wurde. Ich war beim Opening-Event in Berlin dabei – dort traf sich das Who’s who der Frauensportbranche. Dabei auch spannend: wie Lidl-Mitarbeitende auf LinkedIn aktiv kommuniziert haben.
Bei Miele hingegen war ich eher ratlos. Deren Spot zur EM wirkte kraftlos und inhaltlich wenig überzeugend.
Was macht für Dich gute Sportkommunikation aus?
Klarheit, Humor, Überraschung – und gern darf’s auch ein bisschen edgy sein.
Mein persönlicher Favorit seit 2023: der Spot von Orange „Women’s Football“.
Oder auch: der Transfer-Content rund um die Vertragsunterzeichnung von Florian Wirtz bei Liverpool. Kein klassisches Trikot-Foto, sondern echte Inszenierung. So geht’s.
Bezogen auf Frauen im Sport verbinde ich mit Sportkommunikation auch einen Wunsch:
Nicht nur bei großen Turnieren auf Kampagnen zu setzen, sondern ein Sponsoring größer zu denken und nachhaltig, konsequent zu kommunizieren.
Wie wichtig ist der Zeitgeist im Sportmarketing?
Er ist essenziell. Wer heute Relevanz und Gesprächswert schaffen will, muss die Themen und Gefühle aufgreifen, die Menschen bewegen.
Boss hat das vorgemacht. Die Marke galt als angestaubt – und erlebt durch das erneute Sponsoring im Tennis gerade ein Rebranding in Echtzeit. Boss transportiert über das Engagement Markenbotschaften wie Erfolg, Stil, Innovation und Qualität. Und profitiert dabei nicht nur von Reichweite, sondern auch von einem positiven Markenerlebnis. Das Sponsoring gilt daher als Best-Practice innerhalb des internationalen Tennis- und Marketingumfelds.
Du bist Mitgründerin vom FC Viktoria Berlin Frauenteam – wie kommuniziert Ihr?
Mit Haltung. Unsere Botschaft: Fußball gehört allen. Wir schaffen Sichtbarkeit, setzen uns für Gleichberechtigung ein und bauen bessere Strukturen. Wir bieten unseren Partnern ein diverses, glaubwürdiges Sponsoringumfeld und Co-Creation. Sie sind Teil unserer Mission, den Fußball und den Frauensport aktiv mitzugestalten. Nicht bloß mit Logopräsenz, sondern als echte Partnerschaft auf Augenhöhe. Denn: Trikots haben keine Haltung – aber Menschen schon. Und das macht den Unterschied.
(*https://www.nielsen.com/de/news-center/2025/womens-football-set-to-enter-global-top-5-sports-by-2030-with-over-800m-fans-nielsen-sports-and-pepsico-report-reveals-untapped-opportunity-for-brands/)