Auf die Straße! Vielfalt statt Gewalt.

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CSD: „Auf die Straße!“

Im Sommer findet in Hamburg wieder die Pride Week mit dem Christopher Street Day (CSD) statt. Das Motto in diesem Jahr: „Auf die Straße! Vielfalt statt Gewalt.“ Veranstalter ist Hamburg Pride e. V. Achtung! CEO Mirko Kaminski hat mit Hamburg-Pride-Vorstand Manuel Opitz gesprochen.


Der Christopher Street Day soll an den 28. Juni 1969 erinnern. Da stürmten New Yorker Polizeikräfte die Schwulen- und Lesbenbar „Stonewall Inn" in der Christopher Street und lösten damit mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus. Inwiefern ist der CSD heute Protest und Demo und inwieweit eher ausgelassene und bunte Party?

Der CSD ist auch heute noch eine politische Demo! Wenn man sich die zahlreichen Plakate und Transparente anschaut, erkennt man, wie viele unterschiedliche Inhalte und Forderungen über den CSD als Plattform in die Öffentlichkeit und in die Politik transportiert werden. Auf dem CSD fährt kein Truck, läuft kein Unternehmen und kein Verein ohne politische Botschaft mit. Klar ist diese Demo heute viel ausgelassener als in den 80ern, aber dass das überhaupt möglich ist, das ist doch schon ein Politikum an sich. Denn das zeigt, wie sehr sich Gesellschaft und Politik über die Jahrzehnte hinweg gegenüber der queeren Community geöffnet haben.


Hamburg Pride will was bewegen und hat ernsthafte konkrete Forderungen. Welche?

Wir treten für eine Gesellschaft ein, in der jeder Mensch das Recht hat, so zu sein, wie er ist, und für eine Gesellschaft, in der Gewalt und Hasskriminalität keinen Platz haben. Wir fordern z. B., dass Artikel 3 des Grundgesetzes endlich um die Merkmale „sexuelle und geschlechtliche Identität“ ergänzt und dass das umstrittene Transsexuellengesetz abgeschafft wird. Außerdem brauchen wir endlich einen bundesweiten Aktionsplan für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und zur Bekämpfung von Queerfeindlichkeit. Denn in den letzten Jahren sind immer mehr queere Menschen Opfer von Hasskriminalität geworden, auch in Hamburg. Das wollen wir nicht akzeptieren.


Die Öffentlichkeit kennt den CSD zumeist aus den Medien und sieht dann Fotos von Feiernden mit Regenbogenfahnen. Es passiert aber viel mehr. Im Sommer vergangenen Jahres habt ihr zwei Pride Weeks veranstaltet – mit Eröffnungsgala, Fotoausstellung und zahlreichen Diskussionen, Gesprächsrunden und Vorträgen. Um das zu organisieren, müssen viele Ehrenamtliche mobilisiert werden. Wie gelingt euch das?

Das große Engagement zahlreicher Unterstützer*innen zeigt, wie vielen Menschen in und um Hamburg das Thema Akzeptanz und Gleichberechtigung queerer Menschen am Herzen liegt. Gleichzeitig versuchen wir, mit aktiver Vereinsarbeit den Kontakt zu unseren Mitgliedern das ganze Jahr über – also nicht nur zur Pride Week – aufrechtzuerhalten, zum Beispiel durch Newsletter und Mitgliedertreffen.


Der nächste CSD findet – dann hoffentlich ohne strenge Corona-Einschränkungen – vom 5. bis 7. August statt. Was ist geplant?

Streng genommen beschränkt sich der CSD ja nicht nur auf das eine Wochenende.

Wir eröffnen die Pride Week am 30. Juli mit der feierlichen Pride Night auf Kampnagel. Es wird auch wieder das Pride House auf St. Georg mit vielen Veranstaltungen und Austauschmöglichkeiten zwischen Community, Vereinen und Politik geben. Der Höhepunkt ist dann natürlich die CSD-Demo am 6. August. Dafür planen wir eine reguläre Demo, mit vielen Zehntausend Teilnehmenden, politischen Botschaften und auch Trucks. Das Motto lautet diesmal: „Auf die Straße! Vielfalt statt Gewalt.“ Ein kraftvolles Motto, das auf die queerfeindlichen Angriffe in Hamburg und bundesweit aufmerksam macht. Vom 5. bis 7. August soll es zudem das große Straßenfest am Jungfernstieg geben, am 6. August das Pink Pauli Festival auf St. Pauli. Alle Termine findet ihr auch auf www.hamburg-pride.de.


Könntest du einmal für Menschen, die noch nie dabei und vor Ort waren, greifbar machen, was die Teilnahme am CSD einem Menschen bedeutet, der seine sexuelle Orientierung – sagen wir mal zum Beispiel in einem kleinen Dorf auf dem Land – sonst nicht so zeigen kann oder mag? Was löst das aus?

Klar. Ohne für sämtliche Teilnehmer*innen zu sprechen, sage ich mal: Bei einem CSD zwischen einer Viertelmillion Menschen mitzulaufen, das ist ein Moment, in dem du merkst: Du bist nicht allein, du kannst ohne Angst so sein, wie du bist, du bist frei. Zusammen mit so vielen Tausend Menschen für die gleichen Ziele auf die Straße zu gehen, weckt ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl. Das gilt natürlich gerade für Menschen, die auf dem Land aufgewachsen sind und ihre Identität möglicherweise verstecken mussten oder müssen.


Immer mehr Politiker*innen und Marken zeigen sich zum CSD. Inwieweit ist euch wichtig, dass es sich um echtes Engagement handelt, hinter dem wirklich was steckt? Oder findet ihr schlicht jeden Auftritt an sich als Solidaritätsbekundung erst mal gut?

Also: Wenn eine Partei oder ein Unternehmen beim CSD mitmacht, dann ist das nicht einfach ein „Auftritt“. Das ist eine Stellungnahme für eine offene, vielfältige Gesellschaft. Für alle teilnehmenden Gruppen gibt es ein klares Regelwerk und das schreibt vor, dass die Wagen und Laufgruppen politische Botschaften transportieren müssen. Als Verein achten wir darauf, dass diese Regeln eingehalten werden. Dass sich immer mehr Politiker*innen auf dem CSD zeigen, freut uns natürlich, aber: Jede Partei, die Regenbogenfahnen schwingend beim CSD mitmacht, muss sich daran messen lassen, was konkret an Unterstützung geleistet wird. Und da gibt es noch Luft nach oben, zum Beispiel bei der Finanzierung von queeren Projekten wie Hilfsangeboten und Beratungsstellen. Ähnliches gilt für teilnehmende Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden natürlich schlüssig aufzeigen können sollten, was sie konkret tun, um z. B. einen offenen, wertefreien Umgang mit LGBTIQ+ zu fördern. Das Engagement beim CSD darf kein Feigenblatt sein, hinter dem man sich verstecken kann.


Euer Auftritt und zum Beispiel die Website (https://www.hamburg-pride.de/) wirken hochprofessionell. Die Kampagne zum CSD in Hamburg wird jedes Jahr von einer Agentur gestaltet – unentgeltlich. Wir von Achtung! durften sie auch einmal machen. Spielen Agenturen und Mitarbeitende in Agenturen für Hamburg Pride eine besondere Rolle – zum Beispiel als Multiplikatoren?

Absolut! Um Menschen außerhalb unserer Community zu erreichen, brauchen wir eine moderne Website und bei der Kampagnengestaltung die Unterstützung professioneller Agenturen. Sie transformieren unser jeweiliges Motto und unsere Botschaft in aufsehenerregende, kreative CSD-Motive, die in der ganzen Stadt zu sehen sind. Das hilft uns natürlich, von der breiten Öffentlichkeit wahr- und ernst genommen zu werden.



Welche Besucherin, welcher Besucher bzw. welcher Stargast wäre euer Herzenswunsch und Traum? Wen hättet ihr gerne mal dabei, vielleicht um ein besonderes Zeichen zu setzen?

Da fallen mir so einige ein. Magst du nicht mal bei Cher, Kylie Minogue und Madonna für uns anfragen?