Wenn der Algorithmus auf Amor macht

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Arne Kahlke liebt das Gründen und kennt sich aus mit der Liebe. Er ist der Gründer von ElitePartner und vielen anderen Unternehmen. 2012 übernahm er den CEO-Posten bei Parship. 2016 gründete er LemonSwan. Die Online-Partnervermittlung wirbt mit einem kostenlosen Angebot für Alleinerziehende, Studierende und Auszubildende. Mirko Kaminski hat mit ihm in der neuen Achtung! Bar über Daten, Liebe und die Ostseeinsel Fehmarn gesprochen.

Lieber Arne, was liebst Du am Gründen am meisten?


In allem Anfang, in allem Neuen liegt ein großer Zauber. Und diesen Zauber liebe ich. Ich begeistere mich schnell für Neues. Und ich probiere unglaublich gern Neues aus. Eine Ausnahme: meine persönliche Beziehung. Vor allem spüre ich den Reiz des Neuen im Beruflichen. Ich spüre da immer eine große Leidenschaft, wenn ich mich mit einer neuen Idee und Neuartigem auseinandersetzen kann. Ich bin dann wie angezündet und gebe Vollgas.


Und Du bist dann erfolgreich. Was ist denn dein Erfolgsrezept, das du vielleicht mit Gründerinnen, Gründern teilen möchtest? Was braucht es? Energie, hast du schon erwähnt.


Es braucht Leidenschaft für das, was man tut. Das Wichtigste ist, dass du Lust hast, etwas zu bewegen, und da dann auch wirklich Deine Leidenschaft reinsteckst. Was ich aber allen Gründer*innen auch sage: Neben dieser Leidenschaft braucht es auch einen Business Case, der wirklich funktioniert. Häufig stelle ich fest, dass Leute eine Idee haben, etwas beginnen aber gar nicht wissen, wie man damit Geld verdient. Ich bin da im Innern eben auch Hamburger Kaufmann. Eine starke Idee ist gut, aber erforderlich ist auch eine Business-Absicht. Gründen allein um des Gründens willen macht nicht so viel Sinn. Entsprechend ist stets mein Rat an Gründer*innen, wenn ich gefragt werde. Es braucht die richtige Produktgestaltung, das richtige Marketing, das passende Pricing, die wirkungsvolle Marketingkommunikation, damit Leute zugreifen und auch gern Geld dafür bezahlen und es nicht einfach nur geschenkt bekommen wollen. Sonst wird es schwierig. Insbesondere in meiner Berliner Zeit habe ich festgestellt, dass die Start-up-Szene gut Geld ausgeben konnte, aber den Fokus nicht unbedingt aufs Geldverdienen gelegt hat. Da muss doch aber der Schwerpunkt drauf liegen. Man muss auch eine gewisse Liebe zum Geldverdienen haben.


Du hast eben gesagt, du musst für etwas brennen. Du empfindest Leidenschaft für eine Idee und liebst das Gründen um diese Idee herum. Allerdings hast Du ja oft schon beim Gründen das Ziel gehabt, dich dann irgendwann wieder von der Firma zu trennen. Wie schwer fällt es Dir, Dich von einem aufgebauten Geschäft wieder zu lösen?

Ich starte und probiere ja immer wieder gerne Neues. Dafür ist es zwingend notwendig, dass ich eben immer wieder auch loslasse. Ich habe ja nicht unbegrenzt Zeit, Kraft und Konzentration. Hinzu kommt: Ich bin gut im Aufbauen, Gestalten und Verändern. Ich bin kein Verwalter. Ich akzeptiere dann irgendwann, dass meine Aufgabe schlicht beendet ist. Dann müssen andere übernehmen, die das, was dann gefragt ist, viel besser können als ich. Da bin ich wie jemand, der mit großer Leidenschaft Häuser baut und diese nicht baut, um darin zu wohnen, sondern weil es diesem Menschen um das Entwerfen und das Bauen an sich geht. Immer wieder neu! Für andere wiederum ist aber klasse, etwas zu haben, das sie weiter betreuen können, weil denen das Verwalten und Weiterentwickeln deutlich besser liegen. Ich weiß also, wo meine Stärken liegen: eher in der kreativen und aufbauenden Phase.


Und welche Deiner vielen Gründungen ist, auch wenn Du vielleicht gar nicht mehr engagiert bist, die Liebe deines Lebens geblieben? Zum Beispiel weil sie besonders ist oder weil es die erste Gründung war oder weil sie besondere Schwierigkeiten mit sich gebracht hat.


Die intensivste und schwierigste Gründung war 2002 ElitePartner, denn da habe ich in einer Zeit gegründet, investiert und aufgebaut, als die Internet-Blase gerade geplatzt war und nicht viele noch an das Thema Internet glaubten. Ich kam von Parship, war voller Leidenschaft und habe fest daran geglaubt, dass ich damit – und wie gesagt, die Blase war geplatzt – Geld verdienen und ein Business aufbauen kann. Ich war fest davon überzeugt, habe alles, was ich hatte, investiert: Ich bin am Hauptbahnhof in eine Sozialwohnung gezogen, habe mein Auto verkauft, habe alles Geld, was ich hatte, auf diese eine Karte gesetzt, es gab schlicht kein Venture Capital. Und habe mit einem Freund von mir, mit Sören Kress, ElitePartner aufgebaut. Wir haben beide sehr viel, sehr lange auf alles Mögliche verzichtet. Das werde ich nie vergessen. Das ist daher vermutlich wirklich die Gründung meines Lebens. Sie war von einer entbehrungsreichen Phase am Anfang geprägt, in der niemand an uns und unsere Geschäftsidee geglaubt hat. Denn das kam ja hinzu: Wir haben ElitePartner gegründet, obwohl ich Parship zu dem Zeitpunkt schon recht groß gemacht hatte. Es gab also bereits ein Angebot. Dann aus der Situation trotzdem daran zu glauben, und etwas aufzubauen, das dann irgendwann den Marktführer überholt, das passiert einem nicht so häufig. Das waren so intensive Zeiten, die werden sich so nie wiederholen.


ElitePartner, Parship, Lemon Swan … du bist Experte in Sachen Verkuppeln. Inwieweit lässt sich denn anhand von Daten tatsächlich vorhersagen, ob es zwischen zwei Menschen funkt oder funken könnte?


Wir wissen, dass Partnerschaften, die bei ElitePartner, Parship oder LemonSwan entstanden sind, deutlich länger halten. Wir wissen aus Langzeitstudien, dass diese Beziehungen deutlich länger halten als Partnerschaften, die irgendwo anders entstanden sind. Es funktioniert also. Und im Grunde meint es schlicht, richtige Vorhersagen zu treffen. Man muss sich das so vorstellen: Das sind psychologische Erkenntnisse, die auf der Basis von gut funktionierenden Beziehungen entwickelt wurden. Das Matching funktioniert also auf der Basis von Erkenntnissen, die man in der Vergangenheit gesammelt hat. Man hat sich Beziehungen angeguckt, Persönlichkeitsdimensionen und Merkmale, die bei Partnern, die schon sehr lange zusammen sind, gut funktionieren. Und daraus sind Modelle entwickelt worden. Das sind bei Parship, ElitePartner und auch bei LemonSwan unterschiedliche Modelle, die aber auf ähnlichen Annahmen basieren. Die Modelle sind sehr komplex, aber ganz einfach ausgedrückt ist richtig: Man untersucht, was in der Vergangenheit glückliche Partnerschaften ausgemacht hat, um dann Vorhersagen treffen, wer zu wem passt. Die Zahlen belegen, dass das funktioniert. Allerdings kann man trotzdem im Einzelfall nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass ein Paar, das so zueinander gefunden hat, für immer zusammenbleiben wird.


Aber was stimmt denn da eher? Dass sich Gegensätze anziehen oder „Gleich und Gleich gesellt sich gern“? Oder beides?

Dazu kann ich drei Sachen sagen. Es gibt Ausprägungen, bei denen es gut ist, wenn sie sich ähneln. Das können zum Beispiel Interessen sein. Zwei Menschen können dann gut Dinge gemeinsam tun. Wenn die Interessen hingegen weit auseinanderklaffen, könnte es schwierig werden, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es gibt aber auch Eigenschaften, die gut zusammenpassen, wenn sie komplementär sind. Wenn die eine Person dominant ist, sollte die andere es nicht auch sein. Dann würde es irgendwann knallen. Auch das fließt in so einen Matching-Algorithmus ein. Studien zeigen aber auch, dass so etwas veränderlich ist. Das heißt, in einer Partnerschaft verändern sich auch die Ausprägungen von Einstellungen und auch Verhaltensweisen. Stark vereinfacht: Wenn sich die eine Person verändert, sollte die andere sich auch verändern, damit es weiter passt.


Es spielt also beides eine Rolle: ähnliche Interesse und komplementäre Eigenschaften. Und mit beidem können sich Menschen annähern. Es macht Sinn, dass sich beide einander etwas anpassen. Das ist quasi ein Prozess des Aushandelns. Und das ist eine recht neue Erkenntnis. Zuvor ist man eher von starren Ausprägungen ausgegangen.


Nun stellt sich jeder gern gut dar, und auch vielleicht ein bisschen besser, als er vielleicht wirklich ist, und es gibt Phänomene wie die soziale Erwünschtheit. Bezüglich des Algorithmus‘: Zieht der da schon mal etwas ab, und bei Männern vielleicht noch ein bisschen mehr als bei Frauen? Oder anders: Inwieweit wird berücksichtigt, dass vielleicht doch ein bisschen geflunkert ist, und dass Angaben zu Größe, Gewicht, Hobbys usw. vielleicht nicht hundertprozentig wahr sind?
Dieser Test dauert ja – ich weiß nicht, ob Du ihn mal gemacht hast – sehr lange. Und da sind auch Prüffragen drin. Es gibt also Fragen, die prüfen, ob man da vielleicht ein bisschen geschummelt hat Wenn geschummelt wurde, wird das vom Programm korrigiert. Der andere Punkt ist: Wenn so ein Test sehr lange dauert, dann wir man irgendwann auch müde und überlegt nicht mehr ständig, was mit einer bestimmten Frage wohl bezweckt werden soll. Da antwortet man einfach ehrlich, um endlich fertig zu werden.

Man ist zu müde, um zu flunkern?

Genau. Der gute Test versucht, dich in einen Modus zu bringen, in dem du gar nicht mehr wirklich Lust hast, dir zu überlegen, was damit gefragt sein könnte und was Du am besten antworten solltest. Da sind Fragen drin, von denen du gar nicht genau weißt, was dahinter passiert. Außerdem lohnt es ja gar nicht, zu lügen oder sich anders darzustellen. Denn hier geht es ja nicht vorrangig darum, besonders attraktiv zu wirken. Denn da geht es ja vor allem darum, eine wirklich gut passende Partnerin oder einen bestmöglich passenden Partner zu finden. Letztendlich lohnt sich Schummeln daher nicht. Schummeln tun die Leute eher bei den Dating-Agenturen, wo es darum geht, sich äußerlich maximal attraktiv zu präsentieren.


Du liebst das Gründen und du liebst auch das Geschäft und das Business. Aber du scheinst ja auch das Verkuppeln an sich zu mögen. Da bist Du ja Wiederholungstäter. Hast du schon früher mal als Schüler oder Student die Leute einander vorgestellt und dir überlegt, wer zu wem passen könnte?

Nee, sowas habe ich nie gemacht. Da bin ich tatsächlich zufällig herangeraten. Vor ElitePartner hatte ich Autos verkauft, mit Antiquitäten gehandelt, Tannenbäume verkauft, ich habe Spirituosen verkauft, ich habe Hundefutter verkauft, ich habe Süßigkeiten verkauft. Und ich habe dann Handys, Logos, Klingeltöne verkauft. Dann kam Partnervermittlung. Ich muss sagen, von allen Themen war das wirklich eigentlich das spannendste. Ich bin Marketingmann und ich liebe die Psychologie im Marketing. Als Marketingmann hast du eigentlich weniger mit Dingen, sondern viel mehr mit Emotionen zu tun. Dieses wichtige und ergreifende psychologische Moment in einem Produkt oder in einer Marke zu finden, das hat mich beim Partnervermittlungsthema vollends geflasht. Ein so psychologisches Produkt hatte ich bis dahin nie und habe ich auch ehrlicherweise bis heute auch noch nicht wieder gefunden. Was gibt es Komplizierteres, aber zugleich auch Größeres, als Menschen zusammenzubringen? Das ist eine Herausforderung, die hatte ich zuvor nicht und die habe ich auch bis heute nie wieder toppen können. Denn: Was gibt es Schöneres? Ich habe unglaublich viele Freunde und Bekannte, die über die von mir gegründeten Plattformen Partner*innen gefunden haben. Und heute sehe ich sie glücklich und wie stolz sie auf ihre Kinder sind, die mittlerweile geboren sind.


Das nenn‘ ich mal Purpose! So viele Unternehmen suchen manchmal händeringend nach einem höheren Daseinszweck und hier liegt der wirklich in der Natur der Sache. Aber lass uns doch gleich mal auf Deine Gründung LemonSwan kommen. Was ist denn da das Besondere?


Zunächst einmal: Ich habe auch schon bei ElitePartner immer versucht, mich gerade in die Frauen hineinzudenken. Der Grund war: Die Marktforschung hatte mir gezeigt, dass der Markt nicht durch die Männer, sondern vor allem durch die Frauen geprägt wird. Und wenn man den Wunsch der meisten Frauen ernst nimmt, einen Partner zu finden, der es ernst meint, dann entwickelst Du nicht das Xte Datingangebot, sondern eben ein Angebot wie ElitePartner. Es spielte zudem eine Rolle, dass Frauen, die auf der Suche nach einem langfristigen Partner sind, einen auf Augenhöhe suchen. Es gibt in Deutschland mehr Frauen, die studiert haben, als Männer. Ich wollte daher versprechen: „Ich habe hier nur Kerle, die es ernst meinen und die auch ein gewisses Niveau und einen gewissen Anspruch haben.“ Meine erste Positionierung war: „Akademiker und Singles mit Niveau“. Das war eine so gute Positionierung, dass ich damit eine Marktführerschaft erzielen konnte.

Das hat so gut funktioniert, dass ich es später noch einmal wissen wollte. Ich wollte noch einen draufsetzen. Daher war die Mission mit LemonSwan, den gleichen Anspruch wie bei ElitePartner zu haben, die Frauen aber noch besser zu verstehen. Der Claim: „Was Frauen wollen“. Dafür wollten wir Frauen maximal gut verstehen. Und dazu musste auch gehören, dass ich da weiter keine große Rolle spielen durfte. Es sollten vor allem Frauen das Unternehmen führen und entwickeln. Quasi von Frauen – für Frauen. Das Resultat: LemonSwan wächst. Und zwar in einem eigentlich saturierten Markt.


Nun abschließend noch etwas ganz Anderes. Kommen wir zu einer anderen Liebe von Dir, nämlich zu Fehmarn und zur Ostsee. Dort vermietest du Ferienhäuser und Ferienwohnungen. Wie ist es dazu gekommen? Und wie ist es zu dieser Liebe gekommen?


Ich liebe das Wasser. Als Kind war angeln das das Einzige, was ich mir leisten konnte. Ich komme aus Pinneberg. Und da gab und gibt es nicht viel Wasser. Da habe ich nur einen See gehabt, auf dem ich mich mit einem selbstgebauten Floß treiben lassen und angeln konnte. Als ich später mehr Freiheiten hatte, bin ich zum Wellenreiten gekommen. Im Wasser zu sein, am Wasser zu sein, das ist meine große Leidenschaft. Als die Kinder kamen, war die einzige Chance, gemeinsam mit der Familie auf dem Wasser zu sein und sich dabei selbst körperlich zu betätigen, ein Segelboot. Deshalb habe ich eines gekauft und es uns an die Ostsee gelegt. Das Boot brauchte dann aber auch ein Winterlager. Das habe ich auf Fehmarn gefunden. Dabei bin ich dann an einem völlig verfallenen Haus vorbeigefahren. Ich habe mich sofort darin verliebt. Es lag direkt am Wasser und unweit der Fehmarnsundbrücke, meinem Winterliegeplatz. Es war eine Ruine. Total zugewachsen. Ich nahm mir vor, es aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Ich habe es daher nicht abgerissen, sondern es erweitert und in Stand gesetzt. Ich habe dabei aber versucht, die Substanz des Hauses weitgehend zu erhalten, weil ich dachte, das gehört da so hin wie es im Kern ist. Und so ist quasi über das Segelboot unsere Fehmarn-Liebe entstanden.

Dann habe ich mir sogar noch ein zweites Haus in der dortigen Nachbarschaft, das auch als Ruine dastand, zugetraut. Vor 9 Jahren sind die beiden Häuser fertiggeworden. So sind wir jetzt sehr häufig auf Fehmarn. Und die Kinder sind dort großgeworden und sie haben jetzt schon angekündigt, dass ich „Strandhaus-Fehmarn“ nie verkaufen darf. Sie wollen das alles irgendwann einmal übernehmen. Gefühlt ist das deren zweites Zuhause. So viele Erlebnisse und Erinnerungen verbinden uns mit der Insel. Neulich zum Beispiel hat uns beim Segeln eine halbe Stunde lang ein Schweinswal begleitet. Das war atemberaubend!

Danke, Arne! Bis demnächst auf Fehmarn!