Bewegung gegen Aggression

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Unfaires Verhalten, Diskriminierung und Konflikte gehören für viele junge Menschen zum Alltag. Die Initiative ZKV Kampus nimmt sich dieser Kinder und Jugendlichen mit ihren Konflikterfahrungen an: Coachinnen und Coachs trainieren die Kids auf dem Sportplatz und in Workshops in Sachen Fairness und Deeskalation. Jährlich sind es rund 600 Kids, die an diesen Sport- und Coolnessangeboten teilnehmen. Achtung! unterstützt die Initiative ZKV Kampus seit acht Jahren. Ein Gespräch mit Leonie Althaus, Klinische Psychologin und ZKV-Coachin vom ZKV Kampus.

Leonie, wie wirkt sich euer Coaching auf das Schul- und Privatleben der Kids aus?

Das ist total unterschiedlich. Manche Kids sind entspannter im Unterricht und können ihre Grenzen besser wahrnehmen. Manche werden mutiger, zu sagen, was sie wollen – oder eben auch nicht wollen. Und anderen wiederum fällt es leichter, sich nicht provozieren zu lassen. Im besten Fall probieren sie unsere Coolnesstipps aus und werden immer besser darin, ihre Konflikte ohne Gewalt zu lösen.

Der größte Erfolg für uns ist, wenn die Kids unsere MixMyWorkshops (MMW) so gut fanden, dass sie sich als Peers, also als gleichaltrige Vorbilder, bei uns engagieren und dann gemeinsam mit unseren Coachinnen und Coachs MMW für andere Kids geben.

Wie kommen die Kids denn zu euch? Suchen sie selbst Rat oder werden sie eher geschickt?

Früher wurden oft einzelne Kids, die aufgefallen sind, zu uns geschickt und dann in Kleingruppen trainiert. Das entspricht aber nicht mehr unserer Philosophie. Aktuell coachen wir vor allem ganze Klassen und ihre Role Models, also erwachsene Vorbilder. Das können sowohl Eltern als auch Fachkräfte sein, die mit den Kids zusammenarbeiten. Es hat sich gezeigt, dass es nachhaltiger ist, mit allen Beteiligten zusammenzuarbeiten und niemanden auszuschließen, da alle von unseren Inhalten profitieren können. Für die MMW mit ganzen Klassen bekommen wir meist den Auftrag direkt über die Schulen oder Jugendeinrichtungen, weil sie von uns gehört haben oder übers Internet auf uns aufmerksam geworden sind.

Kannst du ganz konkret erklären, wie die Kids lernen, nicht gleich an die Decke zu gehen, sich besser zu kontrollieren und sich fairer zu verhalten?

Üben. Üben. Üben. Bei uns geht es nicht darum, die Kids mit viel Theorie zu langweilen. Sie sollen neue Verhaltensweisen mithilfe von praktischen Übungen und Rollenspielen selbst ausprobieren. Erst lernen die Kids durch sogenannte Provokationstests, was einen Konflikt größer macht. Danach können sie alternative Konfliktlösungen besser verstehen und einüben. Die gemeinsame Arbeit im Vorfeld bringt also Gelassenheit und neue Ideen für den Umgang mit der nächsten Provokation. Bewegung ist dabei immer wichtig, um Angst, Wut und Co. abzubauen. Unsere Chance ist es, den Streit, der live im Workshop entsteht, als Coach*in zu begleiten.

Könntest du mal ein Beispiel nennen, damit greifbarer wird, warum ein junger Mensch zu euch kommt und was ihr dann tut?

Salim hat in der Schule starke Konzentrationsprobleme, im Streit fällt es ihm schwer, Fehler bei sich zu sehen. Bei Auseinandersetzungen weiß er schnell nicht weiter, sodass er auch die Lehrer*innen beleidigt oder respektlos behandelt. Seine Mitschüler*innen finden ihn deshalb total cool und lassen sich von ihm mitreißen. Für uns als Coachinnen und Coachs geht es im Workshop dann darum, ihm eine neue Chance zu geben: Wir wollen ihn nicht als den „schwierigen Schüler“ behandeln, sondern nach dem Grund für sein Verhalten suchen. Sein lautes und mutiges Wesen sehen wir als sein Talent an. Wir versuchen, diese Energie umzulenken und ihn als Teamleader ins Anleiten der Übung einzubinden. Durch die übertragene Verantwortung ist er so motiviert, dass er auch die anderen mitzieht und sich jetzt als Peer bei uns engagiert.

Aus welchen Bereichen kommen die Coachinnen und Coachs, die sich beim ZKV Kampus engagieren, und was motiviert sie?

Wir sind ein sehr heterogenes Team aus den Bereichen Sozialpädagogik, Sport, Gesundheit, Kriminologie, Psychologie, Rhetorik und Schauspiel. Das heißt, die meisten haben sich erst auf dem zweiten Weg für die Sportsozialarbeit entschieden. Trotzdem haben wir eins gemeinsam: Wir arbeiten immer mit Kopf, Herz und Hand. Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, aber so, wie ich es wahrnehme, sind wir alle aus der Überzeugung da, etwas verändern zu können. Mich persönlich motiviert besonders die großartige Entwicklung der Peers, die in den Workshops immer wieder über sich hinauswachsen.

Auch im Büro beziehungsweise am Arbeitsplatz kommt es mal zu Reibereien und Konflikten. Hast du Tipps für einen coolen Umgang damit? Wie können Kolleginnen und Kollegen sich am besten verhalten?

Nach dem Streit ist vor dem Streit. Das heißt, es kann schon helfen, an stressigen Tagen zwischendurch rauszugehen an die frische Luft, sodass es gar nicht erst zu solchen Konflikten kommt. Wenn sich ein Streit nicht vermeiden lässt, dann sollte man sein Gegenüber verwirren: mit Humor die Spannung abbauen und – ohne zu provozieren – vom Thema ablenken.

Wenn das nicht funktioniert, ist es hilfreich, im übertragenen Sinn einen Schritt zurückzutreten: Statt die Äußerungen persönlich zu nehmen, sollte man sein Gegenüber fragen, wie man helfen kann. Aber am besten kommen wir mal bei euch vorbei und üben zusammen. Das ist am effektivsten. Ich selbst merke jeden Tag, dass ich immer noch etwas dazulernen kann.

Achtung! unterstützt den ZKV Kampus ja auf verschiedene Weise: Achtung!s spenden, die Agentur spendet, wir entwickeln Konzepte und produzieren zum Beispiel kurze Clips oder unterstützen euren Social-Feed. Vielleicht möchten auch andere Unternehmen helfen. Was bräuchtet ihr?

Tatsächlich freuen wir uns als gemeinnützige Initiative natürlich immer über Spenden, um unseren Kids noch mehr Unterstützung bieten zu können. Auf dem Kampus wollen wir jedoch einer breiten Masse unsere Inhalte zur Verfügung stellen und dabei nicht bei der Qualifizierung von Lehrkräften und Eltern aufhören. Im Alltag gibt es ja, wie von euch bereits erwähnt, ebenfalls Konflikte und Spannungen im Kollegium und alle Mitarbeiter*innen sind immer auch Role Models für Konfliktlösung. Bei Interesse können sich also gerne auch Unternehmen an uns wenden, die sich Fortbildungen für ihre Mitarbeiter*innen wünschen.


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