Dr. Manuel Iserloh: Wie Patientenportale den Klinikalltag erleichtern

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Patient*innen als aktive Beteiligte ihrer Behandlung – Dr. Manuel Iserloh, Geschäftsführer von POLAVIS, erläutert im Healthcare Innovators Interview, wie Patientenportale die Kommunikation verbessern und die Gesundheitsversorgung zukunftsfähig machen. Außerdem im Gespräch: Was passiert nach der Förderung durch das Krankenhauszukunftsgesetz?


Manuel, du kommst aus der Krankenhaus-Beratung und hast dich auch mit der Verweildauer-Optimierung beschäftigt. Was sind hierbei typische Hebel?

Gute und vorausschauende Planung von Abläufen im operativen Behandlungsmanagement. Meist durchlaufen Patienten die interne Leistungserbringung völlig geräuschlos, es kann aber auch zu Komplikationen und zusätzlichem Informationsbedarf kommen. Das wirkt sich entsprechend auf die Verweildauer aus. Medizinische, teilweise auch administrative Prozesse, sind entscheidend, und es gilt, eine gute Steuerung dieser Prozesse zu erreichen. Dann lassen sich Ressourcen richtig einsetzen und Patienten richtig einplanen: Die Anamnese kann erfolgen, bevor der Patient das Krankenhaus betritt, und auch die Reihenfolge, in der Patienten behandelt werden, lässt sich steuern. Je weniger umgeplant werden muss, desto besser läuft der eigentliche Behandlungsprozess ab.

Wie kam es zu der Entscheidung, eine Lösung für Krankenhäuser zu entwickeln? Und warum ein Patientenportal?


Es war eine Übersetzung dessen, was wir aus der Beratung im Klinikalltag mitgenommen haben. Patienten sollen Beteiligte ihrer Behandlung sein, nicht nur Betroffene. Aufgrund analoger Abläufe sind sie aber im Vorfeld selten beteiligt und im Krankenhaus selbst beschränkt sich der Kontakt mit Ärztinnen und Ärzten meist auf die Visite, soweit dort überhaupt mit und nicht nur über die Patienten gesprochen wird. Fast absurd: In die eigene Behandlung kaum involviert zu sein, da diese auf Basis vorab übermittelter, auch durchaus unvollständiger Daten aufgebaut wird.

Unser Ausgangspunkt war eine bessere Kommunikation und ein besserer Übergang in die Versorgung. Erreichbarkeit ist im Gesundheitswesen immer eine Herausforderung, sowohl für Ärzte als auch für administrative Kräfte. Die Außenkommunikation musste dementsprechend asynchron ausgelegt sein. Und die Prozesssteuerung unserer Lösung sollte vorgangsbezogen stattfinden – nicht einfach alle Daten in einer Akte abbilden, sondern die richtigen Daten an der richtigen Stelle einbringen.

Der Gesetzgeber hat das Patientenportal mit einem Ritterschlag versehen und in das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) aufgenommen. Wie hat sich das POLAVIS Patientenportal dadurch verändert?


Im Kern ist unser Patientenportal gleich geblieben, die neuen Anforderungen wurden größtenteils bereits erfüllt. Einiges ist neu hinzugekommen, vieles war aber bereits geplant oder schon in Entwicklung. Die finanzielle Förderung des Zukunftsgesetzes war für das Gesundheitswesen und natürlich auch für uns ein Glücksfall. Das Gesetz ist wie die Spitze eines sehr mächtigen Eisbergs – vieles wurde erreicht, noch viel mehr zeichnet sich aber bereits ab. Um zukünftigen Herausforderungen begegnen zu können, setzen wir vor allem auf Parametrisierbarkeit – also auf die flexible Anpassung an individuelle Anforderungen. Müssten sowohl Patienten als auch Mitarbeitende einer Klinik mit einer Lösung arbeiten, die fordert und umsetzt, was nicht gebraucht wird, bliebe die Akzeptanz auf der Strecke. Obwohl wir von immer gleichen Grundfunktionalitäten und Abläufen sprechen, sehen wir in den einzelnen Umsetzungen unserer Kunden deutliche Unterschiede. Im Kleinen ist das der Aufbau eines Fragebogens, im Großen die Entscheidung, welche Daten in das Krankenhausinformationssystem übernommen werden sollen.

Die KHZG-Jahre sind für dich persönlich eine intensive Zeit. Wenn Druck und Pensum über viele Monate so hoch sind, woraus schöpfst du dann deine Energie? Was treibt dich an?


Ich bin motiviert, weil Patienten unser Portal gut finden. Weil Mitarbeitende begeistert sind. Mein Antrieb sind die positiven Rückmeldungen, beispielsweise wenn ein Kunde von 500 gebuchten Terminen in der ersten Woche berichtet, ohne Anrufe, ohne Rückfragen der Patienten. Dazu kommen ein besserer Zugang zur Versorgung, eine bessere Planung und eine bessere und sicherere Behandlung. Mich motiviert es, ein gutes Produkt anbieten zu können, das entsprechend angenommen wird. Es ist die Bestätigung, Zeit in die richtigen Themen investiert zu haben. Ich behaupte sogar, dass die Digitalisierung Grundlage einer zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung ist. Dafür nehme ich die Intensität gerne in Kauf.

Ist das KHZG für Krankenhäuser wirklich der erwartete große Schritt nach vorne? Oder zeichnen sich gleich neue Herausforderungen ab?

Das Zukunftsgesetz ist wirklich ein sehr großer Schritt. Über Krankenhäuser hinaus werden viele Beteiligte einbezogen: Patienten und Angehörige, Ärzteschaft, Pflege und Administration, die Zuweisenden. Ich erinnere mich an eine Rückmeldung, als wir vor zehn Jahren ein Zuweiser-Portal produktiv gesetzt haben: Patienten sind in die Praxis gekommen, der zuweisende Arzt konnte alles einsehen, nur der Arztbrief selbst hat gefehlt. Die Briefschreibung in der Klinik fand erst nach Entlassung statt. So entstehen neue Herausforderungen, plötzlich finden Vorgänge in Echtzeit statt: Wann Informationen benötigt werden, ist bei der Vernetzung ein ebenso wichtiger Aspekt, wie die Frage, wohin die Informationen fließen sollen.

Es verändert sich auch für die Mitarbeitenden sehr viel. Inwieweit sind Changemanagement und eine gute Kommunikation gefragt?


Es reicht nicht, zu Projektabschluss über das neue Portal zu informieren. Hier sind Aufgaben betroffen, die seit 30 Jahren telefonisch oder persönlich erledigt und jetzt neugestaltet werden. Die Mitarbeitenden wissen meist sehr gut, was auf sie zukommt, und fragen sich, ob durch ein neues System nicht womöglich alles noch aufwändiger wird. Kommunizieren ist nicht erleben und Vorteile werden nur greifbar, wenn sie erlebt werden. Es gilt, frühzeitig die richtigen Punkte zu adressieren, ein gutes Erwartungsmanagement ist dabei besonders wichtig: Wie schnell kommt das Portal, wofür genau wird es eingesetzt? Im Dialog mit uns durchläuft das Krankenhaus als Organisation übrigens einen ähnlichen Prozess: Im Erstgespräch steht die gesetzlich vorgegebene Einführung im Raum. Sobald jedoch klar ist, was das Portal leisten kann, geht es nicht mehr um Abschläge, sondern um die Vorteile der Nutzung.

Welche Zukunft haben Patientenportale nach dem Auslaufen der KHZG-Förderung?


Eine großartige! Der Fachkräftemangel belastet das Gesundheitswesen, gleichzeitig steigen die Patientenzahlen. Mit dem Patientenportal bietet sich eine Lösung an, denn insbesondere patientenferne Aufgaben, abseits der medizinischen Versorgung, lassen sich dort abbilden. Das Mehr an verfügbarer Arbeitszeit kommt dann den Patienten zugute und kann leicht monetär beziffert werden. Und auch über den einzelnen Versorger hinaus ergeben sich Vorteile, hin zu einer bestmöglichen Ressourcennutzung in der gesamten Kliniklandschaft. Kliniken sollen sich, so der Gesetzgeber, zunehmend spezialisieren, müssen Patientenmengen erreichen. Auch darauf zahlt ein Patientenportal ein und auch das wird man messen können.

Was sind nach dem KHZG die großen Digitalisierungstreiber?


Die große Aufgabe, mehr Patienten mit weniger Mitarbeitenden zu versorgen, und in diesem Zusammenhang die Steuerung der Versorgung. Das geht nur durch exzellente digitale Prozesse; eine reine Datenplattform mit gemeinsamem Zugriff reicht hier nicht aus, mit den Daten muss richtig umgegangen werden. Welcher Patient hat welchen Versorgungsbedarf und wo kann dieser am besten gedeckt werden? Innerhalb des geschaffenen Netzwerkes müssen die richtigen Informationen übergeben werden. Dies können Portallösungen – nicht nur Patienten-, sondern generell Versorgungsportale – optimal leisten. Konsequent umgesetzt lassen sich auch angrenzende Gesundheitsbereiche integrieren, beispielsweise Pflege und Reha, die heute noch nicht durchgehend angebunden sind. Oder der ambulante Sektor, der gesamte niedergelassene Bereich über die Medizinischen Versorgungszentren hinaus. Diese Aufgaben werden uns sicherlich einige Jahre beschäftigen.

POLAVIS hat die Vision eines Krankenhauses der Zukunft – wie sieht es aus und wie die dafür notwendige Transformation?


Unsere Vision ist ein attraktives, leistungs- und vor allem zukunftsfähiges Gesundheitswesen. Technologie gibt Antworten auf die drängenden Herausforderungen und entsprechend ist das Krankenhaus der Zukunft digital, vernetzt und patientenzentriert. Dabei spielen sowohl die Zufriedenheit der Patienten als auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versorger eine Rolle.

Aufgaben sollten personenunabhängig gestaltet werden. Wir kommen aus einem klassischen Expertensystem im Krankenhaus – der sogenannte weiße Bereich, Ärzteschaft und Pflege, ist aber sicherlich bereit, Aufgaben an andere Berufsgruppen abzugeben. Oder von digital unterstützten Prozessen übernehmen zu lassen, wenn diese gut, sicher und praktikabel in den Arbeitsalltag integriert sind. Die heute eingeführten Portale ermöglichen eine solche Verlagerung der Arbeit: Nicht nur das Wie ändert sich, sondern auch das Wo. Kliniken können übergreifend gemeinsame Ressourcen nutzen, und der bessere Mitteleinsatz entlastet finanziell. Solcherlei Gedanken fassen wir im Krankenhaus der Zukunft zusammen.