Jan Bodenbach schafft eine Lösung für Food Waste in Kliniken

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Essen mit Impact: Jan Bodenbach, Co-Founder von HospiChef, erklärt, wie ein smartes Menübestellsystem die Verpflegung in Kliniken revolutioniert. Weniger Abfall, mehr Effizienz und zufriedene Patient*innen – eine Lösung, die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vereint. Schmeckt so die Zukunft der Care-Verpflegung?


Jan, dein Thema ist die Essensversorgung in Kliniken. Warum braucht dieser Bereich aus deiner Sicht dringend ein Update?

Die Ernährung wird in Kliniken, trotz des nachweislichen Beitrags zur Gesundung und Prävention, leider oft stiefmütterlich behandelt.

Zunächst landen aufgrund der Prozesskomplexität, der schlechten Planbarkeit und der fehlenden Transparenz bis zu 30 Prozent der portionierten Mahlzeiten in der Mülltonne. Das ist finanziell und ökologisch kaum verantwortbar, gerade wenn man sich vor Augen führt, dass die Verpflegung mit 17 Prozent der zweitgrößte Emissions-Treiber eines Krankenhauses ist.

Zweitens laufen die Prozesse in Küche und Service vielerorts noch analog. Für die Menüwunscherfassung rechnet man beispielsweise mit einem Aufwand von drei Minuten pro Patient*in und Tag. In einer durchschnittlich großen Klinik bindet das mehrere Vollzeitkräfte. Verschärft wird die Situation dadurch, dass Servicekräfte durch eine Gesetzesänderung künftig nicht mehr über das Pflegebudget refinanziert werden können.

Letztlich ist die Verpflegung aber auch eine tragende Säule der Patientenzufriedenheit. Aus den Bewertungen vieler Kliniken lässt sich herauslesen, dass das Thema emotional besetzt, im Gegensatz zur medizinischen Versorgung aber auch von jedem bewertbar ist. Der Küche sind budgetseitig leider oft die Hände gebunden: Mit den 5,32 € Materialkosten, die durchschnittlich pro Patient*in und Tag zur Verfügung stehen, lässt sich nicht zaubern.

Wie löst HospiChef diese Probleme?

Im Kern haben wir ein Menübestellsystem entwickelt, das zu einer möglichst patientenorientierten, datengetriebenen und nachhaltigen Verpflegung beiträgt.

Die Speisenversorgungsprozesse innerhalb der Klinik werden Ende zu Ende abgebildet: Eine browserbasierte App ermöglicht es Patient*innen, Bestellungen individuell, diät- und allergiekonform auf ihren Endgeräten zu tätigen. Auf dem Tablet sehen Service, Pflege oder Ernährungsberatung in Echtzeit, welche Patient*innen noch unterstützt werden müssen und wo eine diätetische Beratung notwendig ist. Das Modul für die Küche setzt die Menüplanung und Produktionssteuerung um.

Die Lösung ist per Schnittstelle mit dem Krankenhausinformationssystem verbunden. Optional können auch Warenwirtschaftssystem, digitales Patientenportal oder Bedside-Terminals angebunden werden.

Wir setzen stark auf die Einbindung der Patient*innen über die App, die einhergehende Entlastung des Personals und die Spielarten, die durch den digitalen Kontaktpunkt zu Patient*innen erst möglich werden: Nudging, Upgrades, Feedback. Das koppeln wir küchenseitig mit einem hohen Automatisierungsgrad und tiefgehender Analytik. Die Features zur Reduktion der Überproduktion fassen wir als „Food Intelligence“ zusammen. Dazu zählt auch die KI-gestützte Nachfragevorhersage für eine akkuratere Mengenplanung.

Im besten Fall bezahlt sich eure Lösung von selbst. Klammen Kliniken könnte das doppelt helfen. Geht diese Rechnung auf?

In einem Referenzhaus mit 200 Planbetten konnte HospiChef im ersten Jahr, vor allem durch die Funktionen des Food-Intelligence-Moduls, rund 35.000 Mahlzeiten vor der Mülltonne bewahren. Das entsprach dort 19 Prozent der Materialkosten der Verpflegung insgesamt und übersetzte sich in einen sechsstelligen Euro-Betrag, der eingespart beziehungsweise anderweitig investiert werden konnte.

Neben der Ambition, die Überproduktion einzudämmen und Prozesse effizient zu gestalten, haben wir den Anspruch, die Küche vom Cost Center zum Profit Center zu machen. Über die Bezahlmöglichkeiten in der App können Upgrades zugebucht werden; die Küche bekommt wieder mehr Budget und damit Gestaltungsmöglichkeiten.

Hilfreich ist auch, dass HospiChef in ersten Kassenverhandlungen als sogenannte „Pflegeentlastende Maßnahme“ anerkannt wurde. Akutkrankenhäuser können die Lösung so gegebenenfalls über die Kassen refinanzieren.

In deinem Lebenslauf stehen Stationen an der WHU, bei Rocket Internet, bei einem VC-Fonds und in der Beratung. Wann hat dich die Begeisterung für das Gesundheitswesen und die Welt der Kliniken gepackt?

Meine Begeisterung für das Gesundheitswesen ist sicherlich meiner familiären „Vorbelastung“ geschuldet: Meine Mutter ist Pharmazeutin, mein Vater arbeitet bei einem Pharma- und Diagnostikunternehmen, mein Opa war Arzt. An der Universität habe ich mich in Abschlussarbeiten mit Digital Health auseinandergesetzt.

Zur konkreten Idee von HospiChef kam es durch einen Hackathon an der TU München, aus dem sich die Co-Entwicklung mit den Sana Kliniken ergeben hat. Fasziniert hat mich direkt, dass Nachhaltigkeit und kommerzielle Interessen bei HospiChef wunderbar parallel laufen können.

Die Motivation, jeden Morgen aufzustehen und das Beste aus dem Tag zu machen, ist vermutlich dem Impact-Gedanken geschuldet: Über 19 Millionen stationäre Patient*innen gibt es jährlich allein in Deutschland - knapp ¼ der Bevölkerung. Wenn wir die ernährungsmedizinischen Möglichkeiten ausschöpfen, die es während des Klinikaufenthaltes und darüber hinaus noch gibt, wäre das absolut großartig, auch gesamtgesellschaftlich.

Jetzt bist du im Gründerteam von HospiChef für die Finanzen und den Vertrieb verantwortlich. Wie knüpft ihr Kontakt zu Kliniken? Was ist eure Marketing- und Vertriebsidee?

Ich denke, dass Vertrieb im Gesundheitswesen, mehr noch als in anderen Branchen, auf Vertrauen basiert. Für einen vertrauensvollen Umgang ist der persönliche Kontakt entscheidend. Wir setzen daher zum einen auf die direkte Ansprache, versuchen auf Symposien und Messen ins Gespräch zu kommen.

In dieses Narrativ fügt sich auch die besondere Bedeutung von Referenzen in den verschiedenen Größenkategorien ein. Ein befreundeter Gründer fasst das charmant zusammen mit: „Krankenhäuser sind Rudeltiere“. Eine positive Mund-zu-Mund-Propaganda ist enorm wichtig.

Zum anderen fungieren Partner*innen, beispielsweise Caterer oder Beratende, zunehmend als Türöffner. Dadurch, dass sie uns mittlerweile kennen, bekommen wir wohl auch von Klinikseite einen Vertrauensvorschuss. Diesen versuchen wir mit allem, was in unserer Macht steht, zurückzuzahlen.

Ihr seid jetzt in ersten Test-Kliniken live, darunter ist auch ein großes Haus mit über 1.000 Betten. Nach den Rollouts in Q1 2025 sollen jährlich schon 100.000 Patient*innen Zugriff auf HospiChef haben. Was sind aus deiner Sicht die Schlüssel für euren beeindruckenden frühen Erfolg?

Wir hatten das Glück, dass wir die Lösung in München sehr schnell pilotieren und im Livebetrieb stabilisieren konnten. Mit echten Zahlen aus einem Referenzhaus lässt sich der Mehrwert greifbarer machen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, als Menübestellsystem aufzutreten und damit einer Produktkategorie zugeordnet zu sein, mit der Entscheider*innen etwas anfangen können, wofür es Budgets gibt. Wir haben das Team klein gehalten, um Reibungsverluste zu minimieren, agil zu bleiben und Ideen testen zu können. Das hat uns in Summe dabei geholfen, Produkt und Wertversprechen schnell und iterativ anzupassen. Der Erfolg sitzt auf den Schultern eines sehr fokussierten Teams mit dem unbedingten Willen, das Gesundheitswesen ein Stückchen besser zu machen.

Wie sehen die nächsten Meilensteine aus? Auf welche Vision arbeitet ihr hin?

Unsere wichtigsten Meilensteine sind an das Wachstum innerhalb des deutschen Klinikmarktes gekoppelt. Das ist eine facettenreiche Aufgabe und beinhaltet auch den Aufbau verschiedener Partnerschaften. Vor allem nach Abschluss der ressourcenbindenden KHZG-Projekte sehen wir Chancen für ein noch schnelleres Wachstum. In diesem Jahr wollen wir zudem stärker Fuß fassen im Segment der Rehakliniken. Produktseitig soll die Patienten-App noch weiter ausgebaut werden.

Unsere Vision ist es, eine Zukunft der Care-Verpflegung zu gestalten, in der jede Mahlzeit zählt – und das unter Gesichtspunkten der Ökologie, Ökonomie und Ökotrophologie.