Nils Bergmann: Von der Gründer-WG in die Notaufnahme
Aus dem Hörsaal direkt zur Gründung: Nils Bergmann, Co-Founder von dianovi, erzählt Achtung! InnoHealth im Gespräch, wie sein Team mit KI-gestützter Technologie die Notfallversorgung revolutioniert und dabei medizinische Qualität mit wirtschaftlicher Effizienz verbindet. Ein inspirierender Blick auf mutige Innovationen aus der Gründer-WG!
Nils, du hast dich dazu entschieden, zusammen mit deinen Co-Foundern noch während des Studiums zu gründen. Warum wolltest du nicht zuerst Erfahrung sammeln?
Wir hatten bereits während unseres Studiums intensiv im Bereich künstlicher Intelligenz für medizinische Anwendungen geforscht und dabei sehr gute Ergebnisse erzielt. Das Problem ist jedoch, dass solche Forschungsergebnisse oft in der Theorie verbleiben und nicht den Weg in die praktische Versorgung finden. In unseren Anwendungsfeldern haben wir jedoch einen so großen Bedarf erkannt, dass uns schnell klar war: Mit unserem technischen Know-how können wir Ärzt*innen im Alltag gezielt helfen und echte Mehrwerte schaffen. Daher wollten wir direkt handeln und unsere Ideen in die Praxis umsetzen. Zudem gibt es auch gewisse Vorteile, wenn der Lebensstandard noch an das Studentenleben angepasst ist und man mit einer gewissen Naivität den Status quo hinterfragt.
Sehr besonders an eurer Gründung finde ich auch, dass du deinen Co-Founder Elias schon aus der Grundschule kennst. Tatsächlich wohnt ihr auch zusammen in einer Gründer-WG. Welchen Effekt hat das für dianovi?
Wir sind insgesamt zu dritt im Gründerteam, und auch Niklas kennen wir schon seit dem Gymnasium – wir haben sogar in derselben Fußballmannschaft gespielt. Unsere WG ist tatsächlich wie ein zweites Büro: Wir wohnen schon seit einigen Jahren zusammen, und dianovi ist bei uns fast rund um die Uhr Thema. Das ist auf der einen Seite unglaublich motivierend, weil wir uns gegenseitig ständig pushen und sehr produktiv sind. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch darauf achten, bewusst mal abzuschalten, um die Balance zu halten.
Als Ingenieur hast du einen eher technischen Hintergrund. Woher kommt dein Bezug zum Gesundheitswesen? Wie sorgst du dafür, dass eure Innovation wirklich auf die Bedürfnisse von Kliniken zugeschnitten ist?
In meiner Familie gibt es einige Ärzt*innen, und die Idee zu dianovi kam ursprünglich von meiner Schwester. Sie hat damals als Assistenzärztin in einer Notaufnahme gearbeitet und mich auf die Herausforderungen im Klinikalltag aufmerksam gemacht. Außerdem habe ich schon lange in dem Bereich künstliche Intelligenz in der Medizin geforscht. Das Gesundheitswesen war also schon immer ein Thema für mich.
Um sicherzustellen, dass unsere Lösung den echten Bedürfnissen entspricht, arbeiten wir eng mit unseren Partnerkliniken zusammen. Jeder Entwicklungsschritt wird zunächst mit ihnen abgestimmt und anschließend iterativ verbessert. Dadurch können wir sicherstellen, dass unsere Innovation echten Mehrwert bietet und im Klinikalltag wirklich hilft. Zudem arbeiten bei uns im Team auch Ärzt*innen.
Euer Name deutet schon an, dass ihr aus Feedback gelernt habt. Ihr habt euch nämlich umbenannt von MySympto zu dianovi. Wie kam es dazu?
Wir wurden häufig mit einem Symptomchecker verwechselt, was der frühere Name MySympto nahelegte. Um diese Verwirrung zu vermeiden, haben wir uns entschieden, uns in dianovi umzubenennen. Der neue Name setzt sich aus „diagnosis“ und „novum“ zusammen, da wir mit unseren technologischen Lösungen innovative Ansätze schaffen und neue Möglichkeiten in der Diagnostik eröffnen wollen.
Was leistet eure Lösung? Welche Chancen bietet sie Krankenhäusern?
Wir entwickeln personalisierte Entscheidungsunterstützungstools, derzeit speziell für die Notaufnahme. Unsere Tools helfen den behandelnden Ärzt*innen bei der Diagnosestellung und der Auswahl geeigneter Behandlungsschritte. Damit können wir nicht nur die medizinische Qualität verbessern, sondern auch die wirtschaftliche Effizienz der Kliniken steigern.
Zusätzlich haben wir einen Abrechnungsalgorithmus implementiert, der die Dokumentation und Abrechnung in der Notaufnahme optimiert. Das bedeutet, dass unsere Lösung sowohl die Patientenversorgung als auch die ökonomischen Prozesse in Krankenhäusern nachhaltig unterstützt.
Die Technologie wird nicht umsonst von Heassian AI gefördert, denn künstliche Intelligenz steckt im Kern eures Konzepts. Wie reagieren Kliniken darauf?
Anfangs hatten wir großen Respekt davor, wie Kliniken auf KI-basierte Lösungen reagieren würden. Doch wir haben schnell festgestellt, dass unsere Zielgruppe – die Notaufnahmen – sehr offen gegenüber neuen Technologien ist.
Für uns steht KI nicht im Mittelpunkt, weil sie ein Trend ist, sondern weil sie die beste Technologie zur Lösung der spezifischen Herausforderungen in der Notaufnahme darstellt. Viele Ärzte haben inzwischen auch ein solides Verständnis von KI und interessieren sich sogar gezielt für die zugrunde liegenden Algorithmen.
Ein zentraler Punkt ist dabei der Datenschutz, dem wir höchste Priorität einräumen. Nur wenn Kliniken spüren, dass ihre sensiblen Daten sicher sind, können wir das Vertrauen in unsere Technologie langfristig stärken. Insgesamt hat uns die Offenheit der Anwender sehr positiv überrascht.
Bisher ist dianovi nur über Preisgelder und Stipendien finanziert. Vor kurzem habt ihr beispielsweise den hessischen Gründerpreis gewonnen. Glückwunsch noch! Aber sicher wollt ihr so bald wie möglich auch im Markt Geld verdienen. Wie sieht euer Go-to-Market-Plan aus?
Die Preisgelder und Stipendien haben uns enorm dabei geholfen, dorthin zu kommen, wo wir heute stehen. Ohne diese Unterstützung wäre zum Beispiel die ISO 13485-Zertifizierung nicht möglich gewesen. Um unser Wachstum weiter zu beschleunigen, schließen wir gerade unsere erste Finanzierungsrunde ab.
Vor Kurzem haben wir erfolgreich unsere Pilotphase in drei Kliniken beendet und werden ab Q1 2025 mit den ersten Kunden live gehen. Die Nachfrage nach unserem Tool ist sehr hoch. Zusätzlich kooperieren wir mit anderen Softwareanbietern, um die Integration unserer Lösung so einfach wie möglich zu gestalten.
Unser Fokus liegt zunächst auf der Notaufnahme, denn hier besteht der größte Bedarf. Perspektivisch sehen wir aber auch großes Potenzial im ambulanten Sektor, da es viele Überschneidungen und ähnliche Herausforderungen gibt.