Wann Marken geliebt werden

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Max Ströbel kennt sich aus mit Love Brands. Der Chief Strategy Officer von Achtung! berät viele bekannte Marken und arbeitet daran, sie immer beliebter zu machen. In den vergangenen 25 Jahren war Max bereits für Herzensmarken wie Airbnb, SWISS, O2, MINI, BMW, Adidas und Sony tätig. Wann werden Marken geliebt? Das Interview mit Max Ströbel.

Lieber Max, wann ist denn eine Marke eine Love Brand und wie lässt sich das objektiv feststellen oder „messen“?

Das Suchvolumen im Netz ist schon mal ein spannender Indikator dafür, wie heiß eine Marke gerade geliebt wird oder nicht. Hier wird Interesse in Echtzeit ziemlich unverfälscht erkennbar. Auch Engagement und Sentiment in den sozialen Medien geben Hinweise auf den Grad der Zuneigung. Aber der klarste Beweis für die Emotionalisierung ist und bleibt, wenn es einer Marke gelingt, auf Dauer ein Preis-Premium durchzusetzen.


Wann wird aus dem Kennen einer Marke zunächst Sympathie zu ihr und schließlich Liebe? Was muss da alles zusammenkommen?


Ehrlicherweise muss man das mit den Marken und der Liebe relativieren: In den allermeisten Lebensbereichen haben die Menschen deutlich weniger Interesse an Marken, als viele Marketingleute denken. Zunächst ist daher die Kategorie entscheidend, damit tiefere Zuneigung entstehen kann. Sie muss ein emotionales Potenzial haben. Das kann eine klassische Erlebniskategorie sein wie die der Motorräder – aber auch Handstaubsauger oder Tiefkühlpizza. Das emotionale Potenzial der Kategorie Mineralwasser dagegen ist eher gering. Aber auch das ist individuell: Es gibt sicher Foodies, die mit glühendem Herzen von den Qualitäten einer südisländischen Wassermarke erzählen können.

Um zu deiner Frage zurückzukommen: In einer Kategorie mit Potenzial muss es dann zu einem „Brand Crush“ kommen. Zu einem initialen Markenmoment, der dazu führt, dass wir uns in eine bestimmte Marke verknallen – und Feuer und Flamme sind. Viele von uns haben das zum Beispiel in der Kategorie Unterhaltungsmedien mit der Marke Netflix erlebt. Doch dass aus Verknalltheit auch eine lang anhaltende emotionale Bindung wird – und für die Eigentümer der Marke eine nachhaltige Wertsteigerung entsteht –, das schaffen nur ganz wenige Marken.

Wie können Marken diese Liebe frisch halten? Was ist dafür zu tun?

Es ist wie im echten Leben: der umworbenen Person bzw. Personengruppe wachsamer zuhören als die anderen – und sie besser verstehen, mit ihren Wünschen, Erwartungen, Sorgen, Hoffnungen und Ängsten. Und dann gilt es, aus der Kernleistung heraus eine „liebenswerte“ Nutzungserfahrung zu bauen und diese ständig weiterzuentwickeln, um immer wieder positiv zu überraschen und zu inspirieren. Sonst erkalten die Gefühle irgendwann.

Welche Marken – zum Beispiel – schaffen schon seit langer Zeit, Love Brands zu sein und zu bleiben?

Auch wenn das Beispiel nicht überrascht: Apple natürlich. Obwohl längst Mainstream, schafft es die Marke mit ihrer Produkt- und Service-Experience bis heute, bei Hunderten Millionen Menschen generationsübergreifend tiefe positive Emotionen zu erzeugen. Aber auch Lego, Mercedes oder Nivea halten sich über Jahrzehnte beliebt.


Wie viele Enttäuschungen verträgt denn eigentlich diese Liebe? Oder anders: Was sollte einer solchen nicht passieren?

Jede Gefühlsverbindung verträgt mal eine Enttäuschung – wir gestehen Marken, die wir mögen, auch Fehler zu. Doch ab dem zweiten und dritten Ausrutscher wird es sehr, sehr schwierig, den verlorenen Boden im Herzen der enttäuschten Nutzer*innen zurückzuerobern. Und mal ehrlich: Im Falle des Verschwindens würden wir kaum eine Marke hart vermissen.


Das eine sind ja Produktrange, Qualität, Service etc. Da muss alles stimmen. Welche Rolle aber spielen Kommunikation und Werbung?

Jedenfalls eine andere als noch vor 25 Jahren, als es noch eine kollektive Medienwirklichkeit gab. Damals konnte eine Kinowerbung eine Marke schon einmal in den Olymp katapultieren. Aber kleiner ist die Bedeutung von Werbung und PR auf keinen Fall geworden: Digitale und physische Medien sind heute integrale Bestandteile eines ganzheitlichen, im besten Fall inspirierenden Markenerlebnisses. Und auch die Ethik des Handelns, die ja in der Kommunikation ihren Ausdruck findet, kann große Sympathien wecken.

Welche Marke oder Marken liebst denn du über alles?

Auch wenn ich den lieben Kollegen Martin Drust, Marketingchef beim hiesigen FC St. Pauli, unheimlich schätze: Nur der HSV! Anderen Marken hätte ich so viele Enttäuschungen niemals verziehen.