Was macht ein gutes Profil aus? Interview mit Florian Pitzinger, Michelin

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Florian Pitzinger ist Vice President Communications & Brands Europe North bei Michelin. Im Interview schildert er Achtung! CEO Mirko Kaminski, was ein gutes Profil ausmacht, warum Michelin vor 100 Jahren das Content Marketing quasi erfunden hat und wie das Unternehmen seine Mitarbeitenden auf dem Weg hin zu „Beyond Tires“ mitnimmt.

Florian, was macht denn nun ein gutes Reifenprofil aus?

Für mich wäre ein gutes Reifenprofil eines, das genug Grip hat, um die PS sicher auf die Straße zu bringen, egal ob du Gas gibst oder auch mal Dinge umkurven musst – also eigentlich gar nicht so weit weg von einem guten Profil in der PR.

Macht es einen Unterschied, ob ein Reifen an einem E-Auto oder einem Diesel bzw. Benziner montiert ist? Meint: Sind die Anforderungen jeweils andere?

Durchaus. Elektroautos sind durch die große Batterie meist schwerer als vergleichbare Verbrenner – das beansprucht auch den Reifen. Heißt: mehr Druck auf den Reifen, was Abrieb und Verschleiß erhöhen kann. Deshalb hat Michelin schon letztes Jahr eigens den ePrimacy auf den Markt gebracht, einen Reifen, der für Elektroautos optimiert ist. Aber auch alle anderen neuen Reifengenerationen werden mittlerweile so entwickelt, dass sie für Elektroautos ausgelegt sind. Nicht umsonst ist Tesla einer der stärksten Kunden von Michelin.

Fragt man Menschen auf der Straße nach Michelin, werden die auf Reifen, das Michelin-Männchen und den Guide Michelin kommen. Was soll das künftige Profil der Marke sein?

Nachhaltigkeit in allen Dimensionen. Oder auf Englisch „People, Planet, Profit“. Das klingt erst mal komisch, weil die Reifenbranche nicht immer für Nachhaltigkeit stand. Mein liebstes Beispiel ist hierfür der immer brennende Reifenstapel in der Comicserie Die Simpsons – also quasi ein popkulturelles Zeugnis für mangelnde Nachhaltigkeit im Reifenrecycling.

Was tut ihr dafür? Wie und wo engagiert ihr euch?

Produktseitig mit Reifen, die nicht so schnell verschleißen und perspektivisch zu 100 % wiederverwertbar sind. Und das ist mir ganz wichtig, denn auch die beste PR kann nur so gut sein wie die wirklichen Taten im Bereich Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit Achtung! haben wir dafür auch schon eine ganze Menge in der PR getrommelt, als wir auf der letzten IAA für Michelin Plastikmüll gesammelt haben, der ab 2024 auch Grundlage für Neureifen ist. Aber nur aufs Produkt zu schauen, wäre zu wenig: Denn Nachhaltigkeit ist für uns auch ein HR-Thema. Das startet mit nachhaltigen Karrierechancen und damit, dass sich das Unternehmen auch um Mitarbeitende kümmert, die nicht mehr Teil der Michelin-Familie sind – ein Beispiel dafür ist die Werkschließung in Bamberg: Hier investiert Michelin auch nach der Schließung Millionen Euro in Weiterbildung von ehemaligen Mitarbeitenden sowie für den Clean Tech Innovation Park. Der soll zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Region schaffen, auch für kommende Generationen.

Ihr sprecht auch über „Beyond Tires“. Was steckt dahinter?

Was Neues und was Altes gleichermaßen. Ich finde es ja immer sehr cool, bei der Firma zu arbeiten, die mit dem Guide Michelin vor mehr als 100 Jahren Content Marketing quasi erfunden hat. Um den Restaurantführer, der Menschen dazu bewegen sollte, mehr Auto zu fahren, ist in der Zwischenzeit ein eigenes Geschäftsmodell entstanden, das über Reifen hinausgeht. Sozusagen ein Michelin-Lifestyle, der Mobilität, gutes Essen und kuratierte Hotels mit einschließt. Und wer es etwas technischer mag: Erst kürzlich hat das Unternehmen eine Art Segel für Frachtschiffe vorgestellt, das den CO2-Ausstoß im Transport deutlich senken kann. Geht weit über Reifen hinaus, hat aber doch noch eine klare Ähnlichkeit mit dem Michelin-Maskottchen.

Welche Herausforderungen bringt das in Sachen Kommunikation mit sich? Wie nehmt ihr insbesondere die Mitarbeitenden auf dem Weg mit?

Kommunikativ nach außen ist die Herausforderung, dass wir in Märkte vorstoßen, in denen wir so gut wie keine PR- oder Marketing-Grundlage haben. Bei der Kommunikation zu 3-D-Druckern helfen leider auch sehr gute Kontakte aus der Mobilitätsbranche wenig. Aber gerade diese Herausforderungen sind für uns als Team spannend – gerade erst standen wir beim Internationalen Deutschen PR-Preis für die Positionierung der neuen Michelin-Wasserstoffstrategie auf der Shortlist. So was ist natürlich eine tolle Anerkennung. Und die wirkt auch nach innen: Für Mitarbeitende, die seit Jahren in einem hart umkämpften Reifenmarkt arbeiten, bietet die neue strategische Aufstellung von Michelin auch positive Zuversicht. Wir versuchen, das so transparent und motivierend wie möglich zu kommunizieren. Besonders cool finde ich dieses Jahr einen internen Roadtrip, der die Mitarbeitenden auf die Reise durch die Michelin-Welt in DACH, UK und den Nordics mitnimmt. Dabei haben wir klar im Fokus: „What’s in it for me“, wenn es um Transformation geht. Und das ist ʼne ganze Menge: neue interessante Jobs und Karrierewege, viel Gestaltungsfähigkeit auch bei der Strategie.

Lass uns noch einmal auf den Guide Michelin zurückkommen. Vielleicht wissen einige gar nicht, wie der entstanden ist. Kannst du das mal ganz kurz erzählen?

Wie gesagt: wahrscheinlich der Ursprung des Content Marketings. Den Restaurantführer brachte Michelin damals heraus, um Anreize zu schaffen, mehr Auto zu fahren. Anfangs konnte man ersehen, wo eine Werkstatt ist und ein gutes Restaurant, das die Reparatur-Pause kulinarisch verkürzt. Der Guide Michelin ist ja auch der Ursprung der Restaurantsterne, die heute fest im Sprachgebrauch verankert sind. Kleines Einmaleins: Ein Stern ist einen Stopp wert, zwei Sterne einen Umweg, drei Sterne eine Reise. Und falls es gehobene Küche zum moderaten Preis sein soll, gibt es noch den Michelin-Mann, der die Zunge rausstreckt – meine persönliche Empfehlung. Wo immer ich in den letzten zwei Jahren auf der Welt war, die Restaurants aus der Guide Michelin App waren immer ein guter Griff. Wenn ihr andere Erfahrungen macht, dann schreibt mir gern via LinkedIn.

Und wie entwickelt ihr nun diese Instanz, die so viel Tradition und Geschichte in sich trägt, weiter und macht sie zukunftsfit?

Natürlich ist der Guide auch eine Art Heiligtum von Michelin, das fast schon religiösen Regeln folgt – darunter die Unabhängigkeit und Anonymität der Tester. Für uns ist es aber auch ein starkes Asset, denn Sternerestaurants stehen auch für einen gewissen Lebensstil, den eigentlich jeder mal wenigstens probieren möchte. Da setzen wir mit PR und Kommunikation an und sagen: Wir liefern Premium-Erlebnisse für Augenblicke, die bleiben.