Geht Liebe durch den Magen?

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Geht Liebe durch den Magen? Mirko Silz, CEO von L’Osteria, meint: Kein Zweifel! Mirko Kaminski, Achtung! CEO, hat mit Mirko Silz über Liebe zu Pizza und Pasta, über Herausforderungen der vergangenen zwei Pandemie-Jahre und über daraus Gelerntes gesprochen. Es gibt bereits mehr als 150 L’Osteria-Restaurants in acht europäischen Ländern, rund 130 davon in Deutschland. 6.000 Mitarbeitende sind für L’Osteria tätig.

Mirko, geht Liebe wirklich durch den Magen? Oder anders: Kann man mit gutem Essen Herzen gewinnen?


Sag mal! Was für eine Frage! Daran besteht doch überhaupt kein Zweifel. Gerade ein gemeinsames Essen in mediterraner Umgebung ist doch prädestiniert, Herzen zu erobern. Ich kenne viele Paare, die sich in einem Restaurant kennengelernt haben. Und zwar Mitarbeitende und Gäste, Gäste untereinander und Mitarbeitende untereinander. Im Restaurant entstehen Freundschaften, aber auch Ehen. Also: Ja, Liebe geht durch den Magen.


Wenn du mal an ein Pärchen denkst, das gerade eines eurer Restaurants verlässt und sich über L’Osteria unterhält: Was sollte dieses Paar im besten Falle sagen?


Spontan würde ich mir so was wünschen wie: „Was für ein tolles Erlebnis!“ Und idealerweise fallen noch Begriffe wie Italien, Dolce Vita, mediterrane Lebensfreude, toller Service. Die beiden sollten Dinge sagen wie „Ach, da gabs mein Lieblingsessen!“, „Nette Menschen dort!“, „Das hat Spaß gemacht“, „Der Besuch hat sich gelohnt!“ oder „Da gehen wir wieder hin!“.


Du selbst liebst nicht nur gutes Essen, sondern ja offenbar auch die Arbeit dafür. Du bist seit Jahrzehnten in der Gastronomie tätig. Wie hast du deine Liebe zu dieser Branche entdeckt?

Da muss ich erst mal überlegen. Das ist ja jetzt mehr als 30 Jahre her. Ich war zunächst im Immobilienbereich tätig und habe dann in meiner Geburtsstadt Leipzig jemanden von McDonald’s kennengelernt. Es ergab sich dann, dass ich da 1991 anheuerte. Vorher aber hatte ich bereits ab und zu mit Gastronomie zu tun gehabt. Meine Schwester ist gelernte Gastronomin und hat Hotelfach studiert. Über sie hatte ich als junger Mensch diverse Gelegenheiten, mal in Spülküchen Aushilfsjobs zu machen. Und im Alter von 15 bis 17 habe ich im Jugendclub hinter der Theke Getränke ausgeschenkt. Wenn die Besucherinnen und Besucher dann nachts weg waren, hat sich das Team zusammengefunden und wir haben zusammen Toastbrote mit Schinken und geschmolzenem Käse – in der DDR hießen die Karlsbader Schnitten – gegessen. Da haben wir die Füße auf den Stuhl gelegt, ein Bier getrunken, sind zum Teil eingeschlafen und dann zwei, drei Stunden später wieder wach geworden. Ich fand das damals so cool! Auch die Gespräche untereinander: von Plauderei bis hin zu philosophischen Diskussionen. Gastronomie bringt tolle und coole Menschen zusammen!


Und dann bist du eben irgendwann bei McDonald’s gelandet ...
Ja. Aber zunächst einmal habe ich damit – trotz der ja schon bestehenden grundsätzlichen Gastro-Affinität – etwas gefremdelt. Ich kam eben aus der Immobilienbranche, sozusagen im Anzug aus dem Bürostuhl und empfand mich schon quasi als den Manager der Zukunft. Aber mir wurde dann sehr deutlich gemacht, dass der Job des Managers damit anfangen würde, auch zu wissen, wie Burger gemacht werden. Und so habe ich dann am Toaster gestanden, Brötchen reingeschoben und McDonald’s von der Pike auf gelernt. Ich habe alles gemacht: Toiletten gesäubert, Müll eingesammelt und so weiter. Deshalb weiß ich auch heute ganz genau, was die Leute im Restaurant täglich leisten. Was mich da schon begeistert hat: die Vielfalt. Die Vielfalt in der Gastronomie. Die Vielfalt an Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, mit verschiedensten Herkünften und Lebensweisen. Im Umgang mit den vielfältigsten Menschen habe ich meine Liebe zur Gastronomie entdeckt. Es war quasi eine Liebe auf den zweiten Blick. Meine Passion und mein Herzblut wurden bemerkt und ich wurde gefördert. Schon mit 21 Jahren wurde ich Restaurantleiter und hatte ein Team von 70 Leuten.


Wenn du so auf die ersten Jahre deiner Karriere zurückschaust, was würdest du dann heute jungen Leuten mit Blick auf Beruf und Karriere raten?

Die soziale Komponente ist elementar. Es ist von grundlegender Wichtigkeit, empathisch zu sein und sich in andere hineinzuversetzen. In andere Menschen, in andere Kulturen, in andere Beschäftigungsarten. Mitarbeitende aus zum Beispiel Osteuropa, aus Mitteleuropa oder aus dem arabischen Raum in der Küche, an der Spüle, im Service oder aber auch in Führungspositionen haben andere Einstellungen und Sichtweisen. Sie haben damit auch andere Perspektiven auf Vorgänge im Unternehmen. Diese verschiedenen Perspektiven und Meinungen sind wertvoll und deshalb muss man sie ganz sensibel wahrnehmen. Dafür muss nur eben eine Antenne, muss eine Sensorik vorhanden sein. Es gilt, die verschiedenen Sichtweisen, Einstellungen und Meinungen in sich aufzusaugen und sie dann mit den Werten und Zielen des Unternehmens abzugleichen, anschließend auf das eigene Herz und die eigene Erfahrung zu hören, um dann zu Entscheidungen zu gelangen. So entsteht authentische Führung.


Was noch?

Wichtig ist es auch, verschiedene Sprachen zu beherrschen. Ich meine damit hier jetzt nicht Fremdsprachen, auch wenn es sicher wertvoll ist, neben der Muttersprache verschiedene Sprachen sprechen zu können. Ich meine die verschiedenen Sprachen, die eine Führungskraft beherrschen sollte. In der Gastronomie ist die Sprache im Restaurant und mit den Leuten eine sehr einfache. Sie ist deutlich, direkt und klar. Du musst mit der Belegschaft sprechen können, aber auch zum Beispiel mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen und auch Shareholdern. Je höher du aufsteigst, desto mehr dieser Sprachen musst du beherrschen.


Nun sind die vergangenen zwei Jahre für die Gastronomie wirklich hart gewesen. Restaurants, die lange wegen Corona nicht öffnen durften, dann strenge Hygiene- und Abstandsregeln. 3G, 2G, 2G+ ... Was hast du in der Zeit Neues über dich gelernt?

Ich hoffe, es klingt nicht zu sehr nach Selbstlob, wenn ich sage: Ich habe tatsächlich erneut gelernt, dass ich auch Krisen managen kann und dass ich auch in nie da gewesenen Krisen standhalten kann. Ich hatte ja schon die Finanzkrise miterlebt. 2008, 2009 war ich ja CEO von Vapiano. Was ich nun erneut gemerkt habe, ist, dass mir die 30 Jahre vorher das Rüstzeug verliehen haben, solche Krisen und Herausforderungen zu bewältigen. Was ich seit der Ausbildung über die verschiedenen Stationen, Unternehmen und Ebenen gelernt habe, hat mich befähigt, mit Krisen, auch so gewaltigen Krisen wie der Pandemie und all ihren Konsequenzen, umgehen zu können. Und ich habe gelernt, dass weniger mehr ist. Ich bin ja sonst auch eher jemand, der ganz viele Projekte gleichzeitig anschiebt. Aber in Krisenzeiten, in denen die Ressourcen knapper werden – zum Beispiel aufgrund von Kurzarbeit und fehlenden Umsätzen –, muss man sich stark fokussieren, klare Prioritäten setzen und das Wichtige vom Unwichtigen trennen. Und ich habe darüber hinaus gelernt, trotz des Drucks und bei all dem Stress ganz bei mir zu bleiben.

Was meinst du damit?

Das meint zum Beispiel, nicht aufgrund der besonderen Situation den Führungsstil zu ändern. Es ist gerade dann besonders wichtig, ganz man selbst zu sein, sodass alle das Gefühl haben können, sich auf einen verlassen zu können. Und wichtig ist auch, in solch einer Krise die eigenen Belastungsgrenzen zu kennen, auf sich zu achten und trotz der stressigen Lage weiter für Familie und Freunde da zu sein.


Wie ist es euch denn gelungen, auch in der Pandemie und über die Lockdowns hinweg eure Mitarbeitenden beisammenzuhalten?

Die kurze Antwort ist: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation! Und: Transparenz, Transparenz, Transparenz! Offenheit, Ehrlichkeit, Klarheit! Das alles hat sich schließlich ausgezahlt. Wir haben eine große Loyalität erfahren dürfen. Der andere Teil der Wahrheit ist aber auch, dass uns natürlich Leute verlassen haben. Zum Beispiel studentische Kräfte, denen die Sicherheit fehlte, wie es mit der Gastronomie weitergehen würde. Es sind aber auch einzelne Führungskräfte gegangen, die in der Krise über sich und ihren weiteren Weg nachgedacht haben und dann schlicht was Neues probieren wollten. Wir haben jetzt aber auch schon erste ehemalige L’Osteria-Mitarbeitende und -Führungskräfte, die was anderes ausprobiert haben, aber nun zurückkehren. Das freut uns natürlich. Bei L’Osteria verstehen wir uns ja als „La Famiglia“. Wer einmal Familienmitglied gewesen ist, bleibt es irgendwie auch.

Allerdings muss ich gleichzeitig eingestehen, dass ich am Anfang der Krise noch nicht so richtig mit der Remote-Situation umgehen konnte. Ich bin grundsätzlich am liebsten mit Menschen an einem Tisch, um Dinge zu besprechen und dann zu entscheiden. Mir liegen Miteinander und Nähe. Ich musste mich daher auf Zoom & Co. erst mal einstellen. Deshalb war ich vorübergehend für einige nicht so da, wie man das von mir gewohnt war. Aber ich habe gelernt. Ich habe mich, wir alle bei L’Osteria haben uns dann auf die neue Situation eingestellt.

Du engagierst dich persönlich auch stark für das Gastgewerbe insgesamt. Und das hat mit vielfachen Herausforderungen zu kämpfen: Fachkräftemangel, Nachwuchsmangel, Inflation, steigende Preise zum Beispiel bei Speiseöl ... Wie geht es der Branche im Augenblick?

Oh, das ist ein schneller Themenwechsel! Von L’Osteria zur gesamten Branche! Die Situation der Branche ist komplex und herausfordernd. Da muss erst mal jeder einzelne Gastronomiebetrieb seine eigenen Hausaufgaben machen und Entscheidungen fällen. Unterbrochene Lieferketten, eine Inflation von mehr als 7 Prozent, Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise, hohe Anforderungen an die Nachhaltigkeit ... Das alles ist nur dann zu stemmen, wenn die Politik der Branche hilft, wenn die Branche sich selbst hilft und wenn unsere Gäste und die Öffentlichkeit uns helfen. Gäste und Öffentlichkeit sollten verstehen und akzeptieren, dass die Gastronomie ihren Beitrag zum Beispiel zu Klima- und Umweltschutz, zum Thema Tierwohl, zum sozialen Frieden usw. nur dann leisten und die gerade genannten Probleme wie zum Beispiel steigende Preise eben nur dann lösen kann, wenn sie selbst eben auch die Preise anhebt und es dafür ein breites Verständnis gibt. Angemessene Löhne zu zahlen, höhere Preise für nachhaltige, qualitativ hochwertige Rohwaren und Fleisch aus anständiger Tieraufzucht zu bezahlen, gelingt uns nur gemeinsam und zusammen mit den Gästen. Politik, Gesellschaft und Gastronomie müssen sich zusammentun, um die großen Herausforderungen zu meistern. Gastronomie ist eben systemrelevant. Und zwar in jeder Beziehung!


Ganz zum Schluss: Mit welchem Essen, mit welchem Gericht kann man denn eigentlich dein Herz gewinnen?

Natürlich sind es Pizza und Pasta! Warum nur habe ich das geahnt?! :-)

Na, so ist es eben. Und für mich ist es speziell Pasta. Insbesondere gewinnst du mich mit Penne allʼ arrabbiata oder einer einfachen Portion Spaghetti Aglio e Olio. Und wenn es Pizza sein darf, dann ist es für mich eine BBQ Chicken Pizza oder eine Salsiccia piccante. Bei uns bei L’Osteria kann man seine Pizza ja übrigens hälftig belegen lassen. Da bestelle ich dann eine Pizza mit beidem. Und wenn es mal kein Essen bei L’Osteria ist, dann liebe ich eine gute Rinderroulade mit Rotkohl. Die kann ich sehr gut auch selbst zubereiten, aber die allerbeste macht meine Mama.