"Geblieben ist die Wichtigkeit von guten Beziehungen"

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Tina Kulow ist mehr als elf Jahre als Director Communications bei Facebook/Meta tätig gewesen. Dann hat sie das Jobangebot angenommen, Vice President Communications bei SAP zu werden. Ende vergangenen Jahres kündigte sie dort ihren Abschied an. Tina Kulow hat Erfahrung mit Unternehmen, die sich permanent wandeln und die qua Geschäftsmodell von anderen kontinuierliche Veränderung erwarten. Im Interview verrät sie Mirko Kaminski, wie sie auf die Veränderungen in der PR schaut.

Tina, wenn du heute auf PR und Kommunikation schaust: Erkennst du sie noch wieder? Was von dem, was du Anfang der 90er gelernt und angewendet hast, gibt es heute nicht mehr?

Das Fax. Das vermisse ich aber nicht. Kommunikation entwickelt sich weiter. Das ist ja das Interessante daran! Daher ist es heute ganz anders, viel komplexer – aber das Grundsätzliche bleibt bestehen.

Und magst du auch sagen, was geblieben ist, wichtig bleibt oder sogar wichtiger wird denn je?


Geblieben ist die Wichtigkeit von guten Beziehungen – zu Journalist*innen, Stakeholder-gruppen, Partner*innen –, schlicht ein gelebtes Netzwerk. Unerlässlich in unserer komplexen Welt ist es, Ideen, Strategien zu testen, zu besprechen und sich nie nur auf die eigene Meinung zu verlassen. So ein Netzwerk hilft, einen 360-Grad-Blick zu erhalten, andere Gedanken, Meinungen und Ideen zu erfahren. Und letztlich hilft es, erfolgreicher zu sein.

Innerhalb der PR gibt es aktuell allerhand Umbrüche und allerhand Neues. Was bewegt und beschäftigt dich am meisten und warum?


Wir leben nun bereits in der 4. Dekade des digitalen Umbruchs – und ich denke, dass uns alle die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz auf Trab halten werden. Was bedeutet KI für meinen Alltag, für mein Unternehmen, für die Gesellschaft? Das ist ein Thema, das mich beschäftigt.

Was noch?


Nun, ich denke darüber nach, wie Kommunikation und PR weiterhin am Tisch der großen Entscheidungen – in Unternehmen, Politik und Gesellschaft – sitzen können. Um dort zu diskutieren: Welche Aufgaben setzen wir um und welche Strategien funktionieren? Die Bedeutung der Kommunikation ist schließlich elementar. Die Kommunikation entscheidet ganz maßgeblich über Erfolg und Misserfolg.

Und ich denke auf der Schnittstelle zwischen Policy und Kommunikation herum. Hier ist die Komplexität mein Hauptthema. Wie beschreiben wir komplexe Herausforderungen und Lösungen so, dass wir die Menschen erreichen? Und dies in einem Umfeld, das mit allzu simplen, eingängigen und platten Parolen wichtige Nuancen aus dem Blick nimmt, um von fehlenden Ideen abzulenken?

Du bist Kommunikationschefin und -managerin und führst Mitarbeitende. Welche Möglichkeiten nutzt du, um sie zu motivieren, sich mit Neuem zu beschäftigen, keine Scheu zu haben und vielleicht auch die eigene Komfortzone zu verlassen?

Ich bin meinen Teams hoffentlich immer ein gutes Vorbild für Transparenz und Offenheit. Beides ist wichtig, um die Menschen um mich herum zu motivieren, damit sie Erfolg haben. Transparenz in Bezug auf Strategie und Entscheidungen und hinsichtlich meiner Erfahrungen und Fehler, die ich gemacht habe! Nicht, um Fehler zu verhindern, sondern, um zu zeigen, dass wir sie alle machen – und hoffentlich daraus lernen. Und Offenheit, um zu verstehen, was die Menschen um mich herum antreibt und warum sie Dinge so tun, wie sie es tun.

Ich denke, das hilft, um Komfortzonen zu verlassen. Und zumeist sind es ja kleine Schritte, die in der Rückschau zu einem größeren werden.

In welchem Bereich und mit Blick auf welches Thema musstest du in den vergangenen Jahren am stärksten Deine eigene Komfortzone verlassen?


Ich lerne ja gerne Neues. Dafür muss man aus der eigenen Komfortzone rausgehen. Im Laufe meiner Karriere waren es wichtige Schritte wie Entscheidungen, anders zu agieren, mich gegen interne Stimmen zu stellen und mich damit zu exponieren, Nein zu sagen – und sich dann aber auch Entscheidungen zu fügen. Mich auf bestimmte neue Konstellationen einzulassen. Solche Schritte sind Grundvoraussetzungen, um zu wachsen und zu lernen. Auch wenn es manchmal wehtut und unangenehm ist.

In Unternehmen trifft man zuweilen immer noch auf Menschen, die danach fragen, welchen Wertbeitrag PR und Kommunikation überhaupt leisten. Wie antwortest du darauf?

Hier komme ich auch gern auf künstliche Intelligenz zurück und damit auf die neuen Möglichkeiten, unsere Arbeit zu messen und damit greifbarer zu machen. Aber auch bei zunehmender Messbarkeit wird es immer Menschen geben, die unsere Arbeit nicht wertschätzen. Wichtig ist, dass der Wert und die Kraft von Kommunikation an der Unternehmensspitze verstanden werden. Und man erkennt den Wert vielleicht am besten anhand der Ergebnisse, wenn Kommunikationsexpertise eben mal nicht mit am Tisch der Entscheidungen sitzt und dann merklich etwas fehlt.

Wenn du heute mit einer Studentin oder einem Studenten der PR, der Kommunikation sprichst: Welchen entscheidenden Karrieretipp gibst du?

Ich glaube nicht an den einen Tipp. Mein Ratschlag ist, sich darauf einzulassen, zu lernen, aktiv zu fragen, sich von Komplexität nicht abschrecken zu lassen und sich ein Netzwerk von Menschen aufzubauen, die anders an Dinge rangehen und denen man vertraut. Und ich empfehle, sich Teams und Führungspersönlichkeiten zu suchen, die genau das alles unterstützen und leben.