KI kann allerhand – aber Glaubwürdigkeit braucht Menschen

Lea Birke Preuss 3 072 x 1 620

KI revolutioniert redaktionelle Prozesse. Doch wie viel Automatisierung verträgt guter Content? Lea Birke Preuß, Redakteurin bei Achtung!, über neue Arbeitsweisen, ethische Standards und warum der Mensch ihrer Meinung nach die letzte Instanz bleiben muss.

Lea, wie hat sich euer redaktioneller Arbeitsalltag durch den Einsatz von KI verändert?

Grundlegend – und zwar in praktisch allen Phasen des Arbeitsprozesses. Viele Dinge, die immer schon Teil unserer Redaktionsarbeit waren, können wir optimieren; einige Prozesse lassen sich automatisieren. Wir haben schon immer datengetrieben gearbeitet, aber jetzt können wir Workflows noch besser und gewinnbringender gestalten. Die Herausforderung ist, dass künstliche Intelligenz den Anschein erweckt, alles lösen zu können – die echte Qualität liegt darin, aus schnell generiertem Output besondere Erzeugnisse zu machen.

Bei welchen Aufgaben setzt ihr KI routinemäßig ein und wo seht ihr das größte Potenzial?

Zuallererst in der Planung, Recherche und Themenfindung. Wenn wir ein neues Thema angehen, ist KI unser Sparringspartner. Sie hilft uns, spannende Quellen zu durchforsten, Themen zu clustern und erste Ableitungen zu treffen. Auch die Kombination von KI und Datenschnittstellen ist interessant: KI prüft bisherige Content-Performance, macht Medien- und Potenzialanalysen, betreibt Social Listening, identifiziert wiederkehrende Themen in Foren und Kommentarspalten und scoutet Trends und passende Expert*innen. 

Mit welchen Ansätzen setzt ihr diese Prozessoptimierungen um?

Wir entwickeln unsere eigenen KI-Agenten. Das sind spezialisierte Assistenten, die einen bestimmten Job haben: Einer lässt Ideen von synthetischen Zielgruppen prüfen, andere formatieren Texte oder kümmern sich um Sichtbarkeitsoptimierung. Der entscheidende Punkt: Diese Agenten nehmen uns nicht stumpf Arbeit ab, sondern wir trainieren die Modelle, sodass sie uns zu echten Dialogpartnern werden, zum Beispiel in der Ideenfindung. Das ist ein bisschen so, als würde man einen neuen Kollegen einarbeiten. Es erfordert erst mal Zeit – hat man diese aber einmal investiert, können sie uns wirklich entlasten und unsere Ergebnisse verbessern.

KI-generierte Inhalte werfen neue ethische Fragen auf. Wie steht es um die redaktionelle Verantwortung bei der KI-Nutzung?

Das ist heute wahrscheinlich das zentrale Thema für Redaktionen. KI revolutioniert zwar Journalismus und Content Marketing, aber ohne klare Haltung riskieren wir unsere Glaubwürdigkeit. In manchen Projekten nutzen wir KI umfangreich, in anderen beschränken wir uns auf Recherche und begleitende Datenanalyse. Das geschieht immer individuell und in enger Abstimmung mit unseren Kund*innen und ihren Vorgaben, auch hinsichtlich betriebsinterner Bestimmungen. Unverhandelbar bleibt menschliche Steuerung und Qualitätssicherung. Deshalb ist es wichtig, entsprechend zu beraten, Ängste ernst zu nehmen, nach passenden Ansätzen zu suchen und KI verantwortungsbewusst einzusetzen. 

Blind vertraut ihr der KI also nicht?

Auf keinen Fall, denn Halluzinationen sind ein reales Problem – KI erfindet manchmal Fakten, die plausibel klingen, aber schlicht erfunden sind. Und sie interpretiert Zusammenhänge häufig falsch. Dann ist da noch das Bias-Problem: KI-Systeme reproduzieren oft unbewusst Vorurteile aus ihren Trainingsdaten. Das kann subtil sein – eine bestimmte Wortwahl, die Bevölkerungsgruppen ausschließt, oder einseitige Perspektiven. KI-gestützte Systeme können beeindruckend formulierte Texte erzeugen, produzieren dabei aber mitunter auch völlig Unbrauchbares. Inhaltliche Fehler oder Verzerrungen verstecken sich gerne in Passagen, die auf den ersten Blick überzeugen. Deshalb ist konsequentes Fact-Checking so wichtig. Wer die Verantwortung für den Text allein der KI überlässt, gerät daher schnell in Schwierigkeiten.

Was würdest du sagen, wie verändert künstliche Intelligenz allgemein den Beruf des/der Redakteur*in?

Was neben Themenentwicklung und Produktion immer wichtiger wird, sind Technologie, Kontext, und damit einhergehende, wirksame Content-Strategien. Deshalb ist umfassende Beratungskompetenz notwendig, auch zu den Prozessen. KI-Kompetenz ist mittlerweile absolute Basiskompetenz, das steht außer Frage. Aber dadurch werden menschliche Qualitätskontrolle und Kreativität wertvoller denn je. Je mehr Content da draußen automatisiert entsteht, desto mehr zählt das, was nur Menschen können: echte Geschichten erzählen, emotionale Verbindungen schaffen, komplexe Zusammenhänge durchdringen und ethische Entscheidungen treffen.