Vorstandskommunikation: Klare Verantwortlichkeiten sind das A und O

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Von klassischer Vorstandskommunikation bis zum „Social CEO“: Die oder den CEO in Szene zu setzen, hat sich zu einer eigenen und anspruchsvollen Disziplin entwickelt. Doch was ist mit den verantwortlichen Fachvorständ*innen, die ebenfalls Teil der Unternehmensführung sind? Wie werden sie eingebunden? Das sind Fragen, denen Lea Waskowiak in ihrer Dissertation „Kommunikation von Fachvorständen. Bedeutung – Strukturen – Management – Perspektiven“ auf den Grund geht. Lea promoviert berufsbegleitend am Lehrstuhl für Kommunikationsmanagement der Universität Leipzig und ist Specialist Communication Strategy bei O₂ Telefónica Germany.

Lea, du widmest dich in deiner Dissertation einer sehr besonderen Personengruppe, die in der Unternehmenskommunikation zuweilen nicht im Fokus steht: Fachvorständ*innen. Wie kamst du auf das Thema?


Ich habe mich bereits während meines Masterstudiums intensiv mit personalisierter Kommunikation beschäftigt und dabei festgestellt, dass bestehende Konzepte etwa zur CEO-Kommunikation nur bedingt auf die anderen Vorstandsmitglieder angewendet werden können. Zum einen, weil Fachvorständ*innen zu spezifischen Fachthemen sprechen. Zum anderen, weil zunehmend weitere Akteure wie Assistenzen aus dem Vorstandsstab kommunikative Aufgaben übernehmen, deren Rolle bisher nicht berücksichtigt wurde. Daher braucht es eine Neuorientierung in Bezug auf Management und Organisation der Vorstandskommunikation. Genau die möchte ich mit meiner Dissertation geben.

Während CEO-Kommunikation den jeweiligen Kopf an der Spitze in Szene setzt und Corporate Influencer über entsprechende Programme die Botschaften des Unternehmens in die Breite tragen, agieren Fachvorständ*innen irgendwie dazwischen. Dabei sind sie es doch, die mit Expertise auftrumpfen könnten. Wie kommt es dazu?


Das Dilemma, das du beschreibst, lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Anders als die/der CEO, die/der sich als Visionär*in zur Unternehmensstrategie und zu gesellschaftspolitischen Themen äußert, nehmen Fachvorständ*innen primär gegenüber Experten-Communitys eine Sprecherrolle ein. Sie sind also in der allgemeinen Medienöffentlichkeit meist nicht so sichtbar wie ein*e CEO. Erst in den letzten Jahren haben regulatorische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen dazu geführt, dass die anderen Vorstandsmitglieder verstärkt ins Rampenlicht rücken, zum Beispiel ein gesteigertes öffentliches Bewusstsein für Vielfalt in der Führung oder die Berücksichtigung von ESG-Kriterien am Kapitalmarkt. Entscheidender Faktor ist auch immer die strategische Ausrichtung der Unternehmenskommunikation. Möchte ich die Repräsentationsfunktion auf die/den CEO fokussieren oder sollen auch Finanz-, Personal- und Technikvorstand bzw. -vorständin sichtbarer sein?

Du hast die vergangenen Monate oft und viel mit Vertreter*innen diverser Unternehmen gesprochen. Du hast Strukturen und Entscheidungsfindungsprozesse beleuchtet und eben auch analysiert, wer jeweils zu welchem Thema kommuniziert. Das braucht ja eine gute Orchestrierung. Was sind nach deiner Beobachtung die häufigsten Ursachen, dass es entweder hakt oder eben doch perfekt klappt im Zusammenspiel?


Meine Studie ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Basierend auf dem bisherigen Stand würde ich sagen: Je mehr Vorständ*innen kommunizieren, desto mehr Akteure sind beteiligt. Das führt zwangsläufig zu Überlappungen und Zuständigkeitsgerangel. Das gilt für die Aufteilung von Kommunikationsaufgaben im Vorstand ebenso wie für die Abstimmung zwischen allen weiteren Beteiligten. Damit meine ich nicht nur PR- oder IR-Verantwortliche. Der persönliche LinkedIn-Kanal wird teilweise auch von anderen Zentralabteilungen oder aus dem Vorstandsstab heraus bespielt. Klare Verantwortlichkeiten sind daher das A und O. Die Unternehmenskommunikation ist deshalb gefordert, abteilungsübergreifende Koordinations- und Integrationsmechanismen zu etablieren.

Welche Vorteile siehst du persönlich darin, wenn sich ein Unternehmen nicht vollends auf die oder den CEO konzentriert, sondern auch den Rest des Vorstands kommunikativ ins Spiel bringt?


Wie der Name schon sagt, sind Fachvorständ*innen Expert*innen für bestimmte Themen. Das können Regionen, Marken und Produkte oder Funktionen sein. In ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich genießen sie eine besonders hohe Glaubwürdigkeit und können die Botschaften der/des CEO aus fachlicher Perspektive stützen. Hinzu kommt, dass immer mehr Stakeholder*innen Transparenz und häufigere Kontakte mit dem Topmanagement eines Unternehmens fordern. Durch die kommunikative Beteiligung der Fachvorständ*innen kann dem Konzept der kooperativen Führung öffentlich sichtbarer Ausdruck verliehen werden. Nicht zuletzt können Reputationsrisiken gemindert werden, indem die öffentliche Repräsentation auf mehrere Schultern verteilt wird. Verlässt ein*e sehr präsente*r CEO das Unternehmen, entsteht eine Lücke, die gefüllt werden muss. Das waren jetzt alles sehr strategische Argumente. Operativ könnte man zudem ganz lapidar sagen: Die/Der CEO kann nicht überall sein. Wenn mehrere Vorständ*innen kommunizieren, gewinnen das Unternehmen und seine Botschaften an Präsenz.

Und welche Nachteile siehst du?


In der internen ebenso wie in der externen Wahrnehmung hat die/der CEO immer das gewichtigste Wort. Hierarchie zieht. Außerdem hat die oder der Vorstandsvorsitzende qua Amt das Mandat, zu allen Themen zu sprechen. Insbesondere in den deutschen Leitmedien wird ein*e CEO häufig einer Fachvorständin/einem Fachvorstand vorgezogen. Diese*r bekommt vielleicht nicht das gewünschte Gehör oder hat nicht die größte Reichweite. Dennoch kann sie oder er einen wichtigen kommunikativen Impact haben, wenn sie oder er die richtigen Stakeholder*innen mit der richtigen Botschaft erreicht.

Gibt es einen Best-Practice-Ansatz, mit dem die Unternehmen, mit denen du gesprochen hast, für eine hohe Qualität der Kommunikation ihrer Fachvorständ*innen sorgen?


Die Herausforderung besteht darin, die gesamte Vorstandskommunikation sinnvoll zu strukturieren und bei den vorhin diskutierten abteilungsübergreifenden Verantwortlichkeiten eine konsistente Umsetzung sicherzustellen. Verteilt man die Außendarstellung auf mehrere Köpfe, muss man sich inhaltlich fragen, wie man die Fachvorständ*innen voneinander differenziert, sodass sie nicht nur das Echo der/des CEO sind. Neben dieser klaren kommunikativen Ausrichtung gilt es, die gesamte Vorstandskommunikation im Sinne einer One-Voice-Policy zu orchestrieren und zu koordinieren.

Aus Agentursicht muss ich die Frage natürlich noch stellen: Hast du während deiner vielen Gespräche auch das Involvement von Externen als Sparringspartner für die Unternehmenskommunikation wahrgenommen oder sind es eher „Inhouse-Lösungen“, mit denen Unternehmen das Thema angehen?


Sowohl als auch. Ich habe den Eindruck, dass gerade die organisationale Nähe zu den Vorständen eine zentrale Rolle bei ihrer kommunikativen Befähigung spielt. Sparring durch Agenturen und Beratungen ist dennoch wichtig. Das können Medientrainings sein. Das kann das Erarbeiten einer Positionierungsstrategie oder das Durchführen einer Benchmark-Analyse der Kommunikation anderer Vorstände sein. Agenturunterstützung trägt also vor allem anlassbezogen zum Gelingen der Vorstandskommunikation bei.