„Am Ende geht es um Vertrauen“
Daniel Rehn berät als Head of Executive Communications bei Achtung! Geschäftsführungen und Vorstände vielfältiger Unternehmen. Mit viel Einfühlungsvermögen entwickelt er Strategien für die C-Level-Kommunikation und unterstützt dann dabei, sie zu orchestrieren und zu realisieren. Achtung! CEO Mirko Kaminski interviewt den Experten und fragt nach den besonderen Herausforderungen und Chancen in diesem speziellen Bereich der Unternehmenskommunikation.
Daniel, du bist Head of Executive Communications. Wenn du mit Executives sprichst: Musst du dann zuweilen erst mal davon überzeugen, sich mehr zu zeigen und zum Beispiel via LinkedIn visibler zu werden?
Anno 2024 muss ich das zum Glück nicht mehr so oft machen wie noch vor etwa vier Jahren, als die Anfragen für eine passende Beratung häufiger reinkamen, aber noch sehr vage blieben und verhalten waren. Damals war die Intention, die Vorstandsebene aktiv in die Kommunikation einzubeziehen, – stark zugespitzt – ein Mix aus „Die Konkurrenz hat angefangen, wir müssen jetzt auch mal“, „Unser*e Chef*in hat das gesehen und möchte das so“ und „Wir als Corp. Comms sehen das Potenzial und wollen das gezielt heben“.
Mittlerweile hat sich das Verständnis für die strategische Notwendigkeit und die zu treffenden Erwartungshaltungen deutlich weiterentwickelt. Allerdings gibt es immer noch sehr grundlegende Diskussionspunkte, in denen man erst einmal den Argwohn gegenüber einer vermeintlichen Wichtigtuerei und verkappten Selbstdarstellung abbauen muss.
Welches sind dann deine Argumente dafür, dass C-Level-Köpfe und Expert*innen im Unternehmensauftrag präsenter werden sollten?
Das naheliegendste Argument, das oft auch direkt verstanden wird, ist: Menschen interessieren sich für Menschen.
Je nahbarer, greifbarer und menschlicher vermittelt wird, was ein Unternehmen macht, desto eher wird das verstanden. Und wer, wenn nicht die Köpfe des Unternehmens, die darüber entscheiden, was passiert, können das glaubhaft vermitteln?
Seien wir ehrlich: Nur sehr wenige Menschen interessieren sich für Pressemitteilungen, die x-te Tabelle der Bilanz-PK oder den Imagefilm zum Bestreben, „grüner zu werden“, der ein Vignetten-Roulette aus Naturbildern ist. Aber wenn die Menschen zu Wort kommen, die aktiv an diesen Projekten arbeiten, die Einblicke geben und Kontext schaffen, dann gibt das die nötige Orientierung, die viele von uns brauchen und sich wünschen. Am Ende geht es um Vertrauen. Erst recht bei Führungskräften und Executives.
Die Kommunikation „nach außen“ strahlt ja auch „nach innen“, wird zum Beispiel von Mitarbeitenden bemerkt und kann sie informieren und motivieren. Wie ist das konkret nutzbar? Und was bedeutet dies für die Verzahnung und Koordination von interner und externer Kommunikation?
Die Zusammenhänge von externer und interner Kommunikation werden selten so deutlich wie bei Executives. Wir sehen das in schöner Regelmäßigkeit, wenn wir z. B. auf LinkedIn Netzwerkanalysen der Kontakte durchspielen. Da staunen manche Ansprechpartner*innen nicht schlecht, wenn sie feststellen, dass 30 bis 50 Prozent ihrer Audience aus dem Unternehmen oder dem direkten Unternehmensumfeld kommen.
Damit wird auch glasklar: Man sollte nicht nach außen die schönsten Geschichten und Bilder vermitteln, wenn es im Inneren des Unternehmens ganz anders aussieht. Diese Brüche braucht es nicht, denn sie sorgen für Unglaubwürdigkeit und schaffen Unmut. Sie lassen das Vertrauen in die Vorgesetzten bröckeln. Dabei ist es doch gerade ein Ziel, Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufzubauen und zu pflegen.
Darum plädiere ich auch sehr für eine enge Abstimmung zwischen den Teams der internen Kommunikation und der externen Kommunikation in der Unternehmenskommunikation. Allen muss bewusst sein: Unsere Köpfe in den exponierten Positionen sind für uns immanente Multiplikatoren, um die relevanten Botschaften persönlich zu vermitteln. Wenn sie selbst davon überzeugt sind und das auch rüberbringen, dann macht das einen Punkt und überzeugt auch andere.
Wenn sich jemand partout schwertut, sich extern stärker zu zeigen, macht es dann überhaupt Sinn? Oder anders: Wie kann das gelöst werden?
Die Frage ist ja immer, warum sich jemand mit dem externen Auftritt schwertut.
Ist es der Argwohn gegenüber der Selbstdarstellung, die so manchen LinkedIn-Post zuweilen tränkt? Dann kann man dem mit Argumenten und klaren Korridoren begegnen, um etwa abzustecken, worüber man gar nicht erst bzw. bevorzugt sprechen mag. Inhaltliche Sicherheit hilft enorm, wenn man das abklären kann.
Ist es die Sorge, vor eine Kamera geholt zu werden und sich womöglich zu blamieren? Dann sind Medientrainings als Vorbereitung auf genau solche Situationen hilfreich, um Sicherheit zu erlangen.
Wenn sich jemand mit dem externen Auftritt schwertut oder einfach auch nicht wohlfühlt, dann gibt es immer noch die internen Bühnen, die genutzt werden können. Jeder Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem direkten und den Mitarbeitenden im erweiterten Umfeld ist in der Regel ein dankbarer Anlass, um sich auszutauschen. Man kennt einander etwas besser. Man ist einander zugewandter.
Da können von Treffen zwischen Vorstandsebene und Produktion, gemeinsamen Lunches über Q&A-Runden, Town Halls bis zu regelmäßigen Beiträgen im Intranet alle Facetten bedient werden. Das hilft genauso, wenn nicht teils sogar mehr als ein starker LinkedIn-Post im Halbjahr.
Welches sind die wesentlichen Steps, um zu einem Konzept der C-Level-Kommunikation zu kommen – gerade für LinkedIn?
Wir bevorzugen definitiv die enge Verzahnung mit der Unternehmenskommunikation als „Partner in Crime“. Dadurch die für das Unternehmen wichtigen strategischen Themen und Ziele kennenzulernen, ist das A und O. Auf der Basis und mit diesem Hintergrundwissen gehen wir in die Kennenlerngespräche, die uns zum Konzept führen.
Wie lange ist der zu positionierende Kopf schon im Unternehmen? Welche Laufbahn hat man hinter sich? Welche Rolle hat man inne und in welchem Kontext bewegt man sich dort? Gibt es Zielsetzungen und eigene Botschaften, die man im Verbund mit dem eigenen Wirken vermitteln möchte? Welche Themen liegen am Herzen (oder eben überhaupt nicht)?
Daraus entwickeln wir dann unseren „Laufzettel“ für das Daily Business, aber eben auch abgestimmte Themenfelder, zu bedienende Schwerpunkte der Unternehmenskommunikation und die persönliche Note. Steht das, können wir loslegen.
Wenn das Konzept steht, wie supportet dann Achtung!? Was wäre ein kleines Paket, was ein großes?
Von klein nach groß?
Profile Health Check und Optimierungen für eine saubere digitale Visitenkarte als Hygienefaktor. Verbunden mit regelmäßigen Jours fixes als Sparringsrunde auf Basis des Konzepts für Themenfindung und Co., die dann eigenständig respektive mithilfe der Corp. Comms „inhouse“ umgesetzt werden. Das ist quasi unsere „Positionierung light“, oft mit Fokus auf LinkedIn als ergänzenden Baustein – davon ausgehend, dass schon etwas an Vorstandskommunikation passiert, was in der Regel der Fall ist.
Wenn es mehr als ein „beratender Plausch“ sein soll, dann sprechen wir von einem steten Sparring im Dreieck aus zu positionierendem Kopf, Unternehmenskommunikation und unserer Beratung für Redaktionelles mit Themenfindung und -planung, Identifikation von passenden Anlässen intern und extern für Äußerungen entlang der Positionierung – sofern sinnvoll und zielführend – und Messung der Zielerreichungen.
Und ganz oben ins Regal greifen wir dann mit einer sehr engmaschigen Betreuung, redaktionellem Support, der Platzierung für und Begleitung von Anlässen wie Interviews und Speaking Opps und insbesondere einer umfassend orchestrierten Kommunikation, vor allem wenn mehrere Vorstandsmitglieder parallel agieren oder auch Corporate Influencer involviert sind, weil es das Thema erlaubt.
Wenn du die Kommunikation exponierter Unternehmensköpfe auf LinkedIn betrachtest: Welche Fehler fallen dir da auf?
Ich möchte ungern von „Fehlern“ sprechen. Aber es gibt eine feine Grenze zwischen strategischer Positionierung, gezielter Inszenierung und alleinigem Personal Branding, die eine Zuordnung zu Corporate Communications erlaubt oder eben nicht.
Wenn ich einen Kopf und seine Themen klar zuordnen kann, aber partout nicht sagen könnte, für welches Unternehmen die Person überhaupt agiert, weil das komplett hinten runterfällt, dann empfinde ich das aus unternehmenskommunikativer Sicht für eine Executive-Ebene als schwierig.
Und welche drei bis fünf Köpfe, die vielleicht auch nicht so oft genannt worden sind, machen es wirklich vorbildlich und erfolgreich?
Aus dem Stegreif würde ich sagen:
Ariane Reinhart, Vorstandsmitglied für Group Human Relations und Nachhaltigkeit sowie Arbeitsdirektorin der Continental AG, schafft den Mix aus Beruflichem, Kontext geben und Kolleg*innen eine Bühne bauen ganz wunderbar. Zuletzt auch immer stärker verbunden mit gesellschaftlichen Äußerungen.
Ola Källenius, mittlerweile seit zwei Jahren Vorsitzender des Vorstands bei der Mercedes-Benz Group AG, ist der Idealtypus des „Nahbaren“, der Persönliches mit Beruflichem kombiniert und so Einblicke ins Unternehmen, in Entwicklungen und Co. greifbar macht.
Und etwas ab vom Schuss, aber momentan einer meiner Lieblinge: Robin Gosens vom 1. FC Union Berlin, der schon während seiner Zeit bei Inter Mailand damit begann das Leben als Profi-Fußballer zu hinterfragen, die gesellschaftliche Verantwortung des Berufsstands zu thematisieren und seine Reichweite für soziale Zwecke und Projekte zu nutzen.