Leidenschaft für Fortschritt in der Pflege

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Judith Ebel ist Gründerin und Geschäftsführerin der Lern-App SuperNurse und Vorsitzende von „Care for Innovation – Innovation pflegen e. V.“, wo sie jeweils ihre Leidenschaft für Innovationen mit der Begeisterung für die Pflege vereint. Als examinierte Pflegekraft weiß sie um die entscheidenden Details, die Raum für Innovationen bieten und dadurch zu mehr Zeit oder Leichtigkeit führen können. Simeon Atkinson spricht mit ihr über mögliche innovative Prozessoptimierungen und ihre Leidenschaft für die Pflege.

Judith, du brennst für die Pflege. Wer mit dir spricht, merkt das sofort. Wann hat das angefangen?

Meine Begeisterung für die Pflege begann schon sehr früh, ich denke, ich war etwa zehn Jahre alt. Schon damals merkte ich, wie viel Freude es mir bereitete, anderen zu helfen, mich zu kümmern und sie zu begleiten. Diese frühen Erfahrungen haben in mir das Bewusstsein geweckt, wie erfüllend und wichtig die Pflege und Fürsorge für andere Menschen ist, und mich letztlich auf meinen beruflichen Weg in die professionelle Pflege geführt. Durch meine Erfahrungen in der direkten Pflege erkannte ich die Notwendigkeit, Pflege als eine professionelle und sich ständig weiterentwickelnde Disziplin weiter nach vorne zu bringen.

Wie schaffen wir es, dass auch andere so eine Begeisterung für die Pflege entfalten können? Wir brauchen schließlich dringend mehr Menschen in der Pflege.

Um mehr Menschen für die Pflege zu begeistern, müssen wir den Beruf attraktiver gestalten. Wir müssen die Vielfalt und die Herausforderungen, aber auch die Erfüllung, die dieser Beruf mit sich bringt, besser kommunizieren. Es ist auch wichtig, junge Menschen frühzeitig anzusprechen und ihnen die vielfältigen Karrieremöglichkeiten in der Pflege aufzuzeigen. Ein Beispiel dafür wäre, den Beruf in weiterführenden Schulen als eine ebenso wichtige und erfüllende Berufsoption wie die des BWLers, Arztes oder Anwalts darzustellen. Dabei spielt auch die Digitalisierung und Innovation eine Rolle, die junge Menschen anzündet und gleichzeitig den notwendigen Wandel, die Pflegearbeit effizienter und ergonomischer zu gestalten, deutlich macht.

Du sprichst an, dass die Pflege auch Innovationen braucht. Dafür setzt du dich mit Care for Innovation ein. Was genau ist das Ziel des Vereins, wie geht ihr vor?

Bei Care for Innovation fokussieren wir uns auf die Sichtbarmachung der zahlreichen Pflegeinnovationen, die heute schon am Markt sind. Stand Beginn 2024 können wir auf stolze 120 Mitglieder mit innovativen und entlastenden Lösungen blicken. Unser gemeinsames Vereinsziel ist es, durch den Einsatz digitaler und zeitgemäßer Anwendungen die Herausforderungen der alternden Gesellschaft zu bewältigen. Wir vernetzen junge, innovative Unternehmen und schaffen eine Plattform für den Austausch und die Entwicklung von neuen Ideen. Dabei geht es uns nicht nur um Technologietransfer, sondern auch um Prozessverbesserungen und den Aufbau von Digitalkompetenzen, um notwendige Changeprozesse anzustoßen. Wir möchten eine Brücke zwischen der Pflegepraxis und innovativen Lösungen bauen, um so wieder mehr Zeit für direkte Pflege zurückzugewinnen.

Welche Kriterien müssen Innovationen erfüllen, um in der Pflege eine Chance zu haben?

Aus meiner Erfahrung als Gründerin und Geschäftsführerin der Lern-App SuperNurse kann ich berichten, dass Innovationen in der Pflege vor allem praxisnah und benutzerfreundlich sein müssen, um Akzeptanz zu erfahren. Sie sollten die Arbeit der Pflegenden und Leitungspersonen erleichtern und als Entlastung empfunden werden. Wichtig ist auch, dass sie in bestehende Prozesse integrierbar sind. Sicherheit und der Datenschutz müssen dabei stets gewährleistet sein. Und nicht zuletzt müssen sie wirtschaftlich tragbar und skalierbar sein, denn es gilt zwei entscheidende Kriterien vor dem Hintergrund der aktuellen Rahmenbedingungen zu erfüllen: Innovationen sollten prozesskostenoptimierend sein und gleichzeitig die gesetzliche Konformität im Auge behalten.

Inwieweit ändert sich die Arbeit in der Pflege, wenn solche Innovationen Einzug halten?

Durch Innovationen kann sich die Arbeit in der Pflege grundlegend ändern. Sie können Routine- und Prozessaufgaben vereinfachen und automatisieren, was den Pflegenden mehr Zeit für die individuelle Betreuung und Pflege gibt. Digitale Lösungen können auch dabei helfen, Informationen schneller und effizienter zu verarbeiten und auszutauschen, z. B. durch Schnittstellen. Dies führt zu einer verbesserten Pflegequalität, mehr Teilhabe und zu einer höheren Zufriedenheit sowohl bei den Pflegenden als auch bei den Pflegebedürftigen. Allerdings ist es wichtig, dass diese Veränderungen begleitet und die Pflegenden in diesem Prozess unterstützt werden. Ich sage stets, dass wir ALLE mitnehmen müssen.

Du kennst diese Herausforderungen auch aus der Start-up-Perspektive. Bei deiner Gründung geht es um das Thema lebenslanges Lernen. Warum ist das in der Pflege so wichtig?


Lebenslanges Lernen ist in der Pflege unerlässlich. Stell dir vor, du würdest heute noch so gepflegt werden, wie es vor 20 Jahren üblich war. Das wäre kaum vorstellbar, oder? Die Pflege entwickelt sich ständig weiter. Neue Forschungserkenntnisse, Behandlungsmethoden und Technologien verändern fortlaufend die Anforderungen an die Profession. Genau wie andere Berufsgruppen müssen auch beruflich Pflegende ihr Wissen regelmäßig auffrischen und aktualisieren, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Hier setzt die Lern-App SuperNurse an. Die App nutzt einen Gamification-Ansatz, um kurze, qualifikationsorientierte Lerneinheiten anzubieten, die Pflegenden helfen, ihr aktuelles Fachwissen aufzufrischen. Themen wie Expertenstandards, Pflichtunterweisungen und weitere Pflegefachthemen sind entscheidend für die Qualität der Pflege.

Apps in der Pflege haben es nicht leicht. Es gibt schon über 50 Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), aber noch keine Digitale Pflegeanwendung (DiPA) – obwohl die Zulassung schon seit 2022 möglich wäre. Woher kommt die Zurückhaltung?

DiPA sind digitale Pflegeanwendungen, die dabei helfen sollen, den Pflegealltag zu verbessern. Für Start-ups als potenzielle Anbieter sind die Anforderungen für die Zulassung als DiPA so komplex und mit finanziellen Risiken verbunden, dass es nur schwer möglich ist, Ressourcen dafür frei zu machen. Damit erfüllt es leider nicht die erhoffte Chance der Digitalisierung im Gesundheitswesen, die wir uns als Innovationsbeschleuniger erhofft haben. Aus unserem Mitgliederkreis von Care for Innovation e. V. würden bei realistischen Rahmenbedingungen oder verändertem gesetzlichem Zugang sicherlich einige Unternehmen mehr am Start sein.

Wir haben jetzt verschiedene Baustellen beleuchtet. Du beschäftigst dich täglich mit diesen Problemen, für die eine Lösung leider oft nicht in Sicht ist. Wie schaffst du es, trotzdem für die Pflege zu brennen?

Es gibt durchaus Momente, in denen es verlockend wäre, den Kopf in den Sand zu stecken, besonders wenn man die zögerliche Haltung einiger Gesundheitspolitiker gegenüber einer dringend benötigten Pflegereform betrachtet. Diese Hürden können manchmal entmutigend wirken. Doch es ist der Austausch mit vielen Innovatoren, die wirklich etwas in unserem Gesundheitssystem bewegen wollen, der mich immer wieder hoffen lässt. Diese Begegnungen erinnern mich daran, dass Veränderung möglich ist und wir die Kurve noch bekommen können. Dieser Dialog und die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, die sich leidenschaftlich für Verbesserungen einsetzen, sind für mich als Idealistin eine ständige Quelle der Inspiration und Hoffnung. Ich sehe jeden Tag, wie wichtig qualitativ hochwertige Pflege für das Wohlbefinden und die Würde der Menschen ist.