Die Vermarktung von Pflegeinnovationen
Der Aktivitätstisch CareTable hat in Pflegeeinrichtungen Einzug gehalten. Und zwar schon in rund 800 in Deutschland. Ein Erfolg, über den der Gründer des Unternehmens und Podcaster Christoph Schneeweiß sich mit Simeon Atkinson austauscht.
Christoph, vielen bist du in erster Linie als Podcast-Host bekannt. „Pflege Digital“ heißt dein Format, in dem du mit Menschen aus der Pflege über Digitalisierung sprichst. Warum betreibst du diesen Podcast?
Der Podcast fing als Hobby an. Ich höre seit jeher gerne Podcasts wie z. B. OMR oder den Doppelgänger Tech Talk. Da ich mich mit dem CareTable für die Digitalisierung in der Pflege einsetze, suchte ich auch nach einem Audioformat, um bei diesem Thema auf dem neuesten Stand zu bleiben. Leider vergebens.
Ich habe mir dann im März 2022 einfach kurzerhand ein Mikro für 100 € gekauft, eine Aufnahme-Software gesucht und den ersten Gast zu einem 30-Minuten-Interview eingeladen. Der Pflege Digital Podcast war geboren – und wird heute von mehreren Tausend Führungs- und Fachkräften der Altenhilfe gehört.
Der direkte Zugang zu den führenden Köpfen der Branche und alles, was ich von ihnen lernen kann, ist einfach großartig. Ich erfahre viel darüber, was die Pflegebranche beschäftigt, und gewinne spannende Personen für mein Netzwerk. Ein netter Nebeneffekt ist, dass ich mittlerweile sogar von Hörern auf Kongressen und Messen auf den Podcast angesprochen werde. Irgendwie surreal.
Dein Anspruch ist es, dass CareTable eine Lovebrand wird. Wie bringt ihr das auf die Straße?
Denkt man an ein Pflegeheim, assoziieren die meisten von uns das wohl eher nicht mit der puren Freude am Leben. Das öffentliche Bild der Branche ist, leider, negativ geprägt.
Mit dem CareTable wollen wir hier einen Unterschied machen. Das Gerät weckt bei vielen Bewohnern ungeahnte Fähigkeiten und sorgt für viele schöne kleine Momente im Pflegealltag. Es wird dank digitaler Bilderalben über alte Zeiten sinniert, die in die USA gezogene Enkelin wird per Videotelefonie lebensgroß begrüßt und der Herrenstammtisch trifft sich zum Technik-Quiz nach dem Frühstück. Ganz im Gegenteil zum Vorurteil, dass Menschen jenseits der 85 kein Interesse an solcher Technik haben.
Darüber hinaus legen wir großen Wert auf die Servicekomponente hinter dem CareTable. Es gibt ein praxisnahes Onboarding, das von unserer Elke, einer ehemaligen Betreuungskraft mit 13 Jahren Erfahrung in der Altenhilfe, verantwortet wird. Wir agieren bei Supportfällen extrem kulant und reagieren innerhalb von Minuten auf entsprechende Anfragen. Das wird viel gelobt und macht einen echten Unterschied in der Markenwahrnehmung.
Zu guter Letzt achten wir auch sehr darauf, wie wir kommunizieren. Wir teilen auf Meta und LinkedIn die kleinen und großen Erfolge, aber sind auch ehrlich, wenn etwas mal nicht so gut lief. Als Gründer bin ich auch selbst sehr aktiv auf LinkedIn und gebe Einblicke hinter die Kulissen.
Wie passt ein „Luxusprodukt“ zur angespannten Situation der Pflegeeinrichtungen?
Gute Frage – auf den ersten Blick eigentlich gar nicht. Das haben wir zu Beginn des letzten Jahres auch zu spüren bekommen, als Investitionsbudgets der Einrichtungen von heute auf morgen quasi eingefroren wurden.
In der Zwischenzeit haben wir diesen Schock überwunden, die Lage der Pflegeheime bleibt aber dennoch angespannt. Einer der Hauptgründe dafür ist der Fachkräftemangel. Hat ein Pflegeheim nicht genügend Mitarbeitende, kann es seine Betten nicht belegen und schreibt in der Folge rote Zahlen. Viele Betreiber haben das erkannt und investieren deshalb vermehrt in Technologien, um den Beruf wieder attraktiver zu machen und im Recruiting einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Eine dieser Technologien ist eben auch der CareTable.
Gleichzeitig haben wir auch intern viel umgestellt, alternative Finanzierungsmodelle aus dem Boden gestampft und das Fördermittelmanagement professionalisiert.
Die Rechnung geht offensichtlich auf, denn CareTable zählt fast 800 Kunden. Pflegeeinrichtungen vertrauen euch. Was hat das damit zu tun, dass CareTable sich bewusst nicht als Start-up versteht?
In der Anfangszeit haben wir die Darstellung als Start-up gern genutzt. Immerhin gelten Start-ups als schnell, innovativ und aufregend. Viele Pflegeheimbetreiber sehen sich auf den gängigen Messen gerade nach diesen neuen Entwicklungen am Markt um.
In der Zwischenzeit sind wir aus dieser Phase allerdings herausgewachsen. Der CareTable ist in der Branche bekannt und wir haben wahrgenommen, dass viele Träger konservativ aufgestellt sind und Werte wie Zuverlässigkeit, Langfristigkeit und Vertrauen schätzen. Und das sind wiederum Eigenschaften, die man eher mit dem klassischen Mittelstand verbindet.
Wie kann CareTable weiterwachsen?
Allein in Deutschland gibt es über 12.000 für uns relevante Pflegeeinrichtungen. Das heißt, dass auch hierzulande noch genügend Raum für weiteres Wachstum durch gutes Marketing und Produktführerschaft besteht. Gleichzeitig haben wir im letzten Jahr auch mit der Internationalisierung begonnen und die ersten CareTables nach Österreich, Luxemburg und in die Schweiz geliefert. Der Rest Europas soll in den kommenden Jahren folgen.
Darüber hinaus haben wir erkannt, dass wir vermehrt Anfragen aus der Behindertenhilfe erhalten und dort auch schon einige Kunden haben. Bisher bieten wir hierfür keine dedizierte Software an, das wird sich aber bald ändern, um auch diesen Menschen durch Technologie eine Freude zu bereiten.
Dass du in dieser Dimension denken darfst, ist für sich schon ein Erfolg. Ganz nach dem Motto „Do things that don’t scale“ lief es zu Beginn noch völlig anders. Wie hat sich euer Ansatz über die Jahre weiterentwickelt?
„Do things that don’t scale“ ist tatsächlich ein Motto, nach dem wir uns gerade anfangs stark gerichtet haben. 2020 kannte noch niemand den CareTable, es gab kein Vertrauen. Daher putzten wir viele Klinken und tourten mit unserer Entwicklung durch ganz Deutschland. Trips in den Ruhrpott mit 5 Stunden Fahrtzeit je Strecke waren keine Seltenheit, um dann einer einzigen Einrichtung den CareTable zu präsentieren. Das half uns ungemein beim Aufbau der Marke, an Skalierung war mit diesem Konzept aber nicht zu denken.
In der Zwischenzeit haben wir unsere Produktberatung und das Onboarding unserer Kunden komplett digitalisiert. Das funktioniert aber nur, weil wir dank unserer Referenzen und der „Vor-Ort-Arbeit“ der letzten Jahre mittlerweile einen Vertrauensvorschuss genießen.
Vor CareTable hattest du schon ein anderes Digitalunternehmen für die Pflege gegründet, das aber kein Erfolg war. Damals hast du vor allem das Thema Finanzierung unterschätzt. Wie funktioniert das jetzt bei CareTable?
Das stimmt. Ich wollte einen IT-Dienstleister für Pflegeheime aufbauen, der sich um Themen wie WLAN, Cloud und moderne Arbeitsplätze kümmert. Damit sind wir grandios gescheitert. Die Einrichtungen benötigen diese Technologien zwar, können es sich in den meisten Fällen aber nicht aus eigenen Mitteln leisten. Beim CareTable haben wir daher alternative Finanzierungsmodelle und ein professionelles Fördermittelmanagement aufgebaut.
Dein Ratschlag an alle, die sich mit Vertrieb und Vermarktung in der Pflege beschäftigen?
Die Branche ist noch stark offline geprägt. Die Teilnahme an Messen und Kongressen ist entsprechend Pflicht. Gleichzeitig beherrschen viele Technologie-Anbieter noch immer das digitale Marketing nicht – eine Chance für affine junge Unternehmen.
Wenn man ein Produkt für die Pflege entwickelt, sollte man sich zudem bereits zu Beginn über die Refinanzierung im Klaren sein. Pflegeunternehmen können aufgrund geringer Umsatzrenditen und strenger Regulatorik nicht so frei wie Unternehmen anderer Branchen in Innovationen investieren.