„Wandel ist zentrales Prinzip unserer Branche“
Prof. Dr. Olaf Hoffjann lehrt Kommunikationswissenschaft, insbesondere Organisationskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er leitet zudem neuerdings die Jury des Deutschen PR-Preises. Im Interview beschreibt er Achtung! Gründer Mirko Kaminski, wie sich der Wandel der PR in der Lehre widerspiegelt und welche Talente Studierende heute mitbringen sollten.
Olaf, was sollte jemand heute für das Studium der Kommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit mitbringen? Und braucht es vielleicht andere Stärken, Fähigkeiten oder Affinitäten als vor 10 oder 15 Jahren?
Da hat sich wenig geändert: die Lust auf Sprache, Neugierde und eine Begeisterung für Medien, die nicht bei den sozialen Netzwerken endet, sondern auch für Nachrichtenmedien und Fiktionales gilt. Und so, wie es früher nicht schaden konnte, wenn jemand schon mal für eine Schülerzeitung oder die Lokalzeitung geschrieben hatte, ist es heute von Vorteil, wenn man in den sozialen Medien nicht nur konsumiert, sondern – vielleicht sogar über den Freundeskreis hinaus – auch produziert. Und eine IT-Allergie sollte man vielleicht auch nicht haben.
Warum entscheiden sich junge Menschen heute für dieses Studium? Warum entscheiden sie sich ausgerechnet dafür? Was ist das Motiv? Was erwarten sie?
Ich bin überzeugt, dass es vor allem die Lust auf einen kreativen Beruf ist, der vielfältig ist und dessen Ergebnisse sichtbar sind. Die Medien- und Marketingwelt glitzert immer noch – wenn auch vielleicht nicht mehr ganz so sehr wie noch vor 15 bis 20 Jahren.
Kommunikation und PR wandeln sich. Wie genau reagiert die Lehre darauf?
Einerseits hat der Wandel wenig an der Aktualität der meisten Klassiker verändert. Ich bin überzeugt, dass Kommunikationsstudierende beispielsweise von Erving Goffmans „Wir alle spielen Theater“ langfristig mehr profitieren als durch die eine oder andere Praxisübung. Andererseits spiegeln sich viele Veränderungen natürlich in der Lehre wider. Und vielleicht noch wichtiger: Der Wandel muss noch mehr als zentrales Prinzip gerade unserer Branche verstanden werden.
Kannst du das noch greifbarer machen und konkrete Beispiele nennen?
In meinem einführenden Masterseminar steht beispielsweise in jeder Stunde ein Aspekt des Wandels im Mittelpunkt: von starren Abteilungsstrukturen zu heutigen agilen Newsrooms, vom Faxgerät zur CommTech, von der massenmedialen zur Netzwerköffentlichkeit, von eindeutigkeitsfokussierten zu mehrdeutigkeitsfokussierten Konzepten oder vom rein umsetzenden Sender zum zusätzlich zuhörenden Berater. Wichtig ist dabei immer: Das Neue von heute ist das Alte von morgen. Den Studierenden muss bewusst werden, dass der Wandel nicht nur ihr stetiger Begleiter in dieser Branche ist, sondern dass auch nur Erfolg haben kann, wer mit Innovationen und kreativen Ideen diesen Wandel vorantreibt. Dabei wird mir manchmal selbst schwindlig: Während in meinen ersten 25 Lebensjahren das Privatfernsehen und das Faxgerät noch die größten Medieninnovationen waren, hat die Digitalisierung in meinen zweiten 25 Jahren nahezu alles durchgeschüttelt. Das lässt erahnen, wie es in den nächsten 25 Jahren weitergehen dürfte. Und worauf sich die Absolventinnen und Absolventen von morgen einstellen müssen.
Welche Rolle spielt Kreativität? Und wie lässt sie sich „lehren“?
Das spielt in den medienpraktischen Veranstaltungen, aber – man glaubt es kaum – auch in Theorie- und Forschungsseminaren eine große Rolle. Wie sich das lehren lässt? Zunächst durch Cases und auch mal durch die Vermittlung von Kreativitätstechniken. Wichtiger sind aber eigentlich zwei andere Dinge: das Gefühl zu vermitteln, dass zunächst mal alles erlaubt und möglich ist. Und: sich nie mit der erstbesten Idee zufriedenzugeben, sondern zu sammeln, zu sammeln und zu sammeln, bevor man kritisch abwägt und die beste Idee auswählt.
Welche Rolle spielen KI, konkrete KI-Tools und vielleicht auch das Prompten bereits im Lehrbetrieb?
Einige Kolleginnen und Kollegen experimentieren damit bereits in der Lehre. Aber da stehen wir ganz ohne Frage noch am Anfang. Eines ist für uns aber klar: Sosehr KI-Tools unsere bisherigen Prüfungsformen infrage stellen, so sehr müssen wir sie in die Lehre integrieren, um die Studierenden auf die Zukunft vorzubereiten.
Stellen wir uns einmal vor, du würdest nicht mehr lehren und forschen, sondern die Leitung der Unternehmenskommunikation eines Konzerns übernehmen und solltest diese „modernisieren“: Wie würdest du genau vorgehen?
Mein großer Respekt vor dem, was die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis leisten, verbietet eigentlich solche besserwisserischen Gedankenspiele. Es macht mich immer wieder sprachlos, wie vielfältig die heutigen Herausforderungen sind und wie allein CommTech-Tools seit meiner sechsjährigen Zeit bei fischerAppelt Anfang des Jahrtausends die Arbeit verändert haben. Aber einen Vorteil als „Neuer“, der mit einem frischen Blick auf die Dinge schaut, würde ich wohl in jedem Fall nutzen: Ich würde erst unzählige Fragen stellen, um die Organisation mit ihren geschriebenen und ungeschriebenen Regeln zu verstehen.
Und dann?
Dann würde ich in der Kommunikation alles infrage stellen: Was wirkt und ist unverzichtbar? Und was ist eine lieb gewonnene Marotte, die überflüssig ist? Mein Eindruck ist, dass es immer noch zu viele Maßnahmen gibt, die man aus Gewohnheit macht oder weil Wettbewerber sie durchführen. Die Glaubwürdigkeit und der Erfolg der Kommunikationsbranche hängen auch davon ab, dass wir nicht meinen, dass es immer um ein „Mehr“ ginge und Kommunikation die Lösung für nahezu jedes Problem sei.
Abschließend noch: Du bist ja auch Chef der Jury des Deutschen PR-Preises und sichtest dort unzählige eingereichte Projekte und Kampagnen. Welche Arten von Projekten bzw. Cases fesseln dich am stärksten?
Das ist einfach: Jedes Projekt, das eingetretene Pfade verlässt und mit einer mutigen Strategie oder begeisternden Maßnahmenideen einen messbaren Unterschied macht.