„LinkedIn wird zum Dreh- und Angelpunkt personenzentrierter Kommunikation"

Daniel 3072x1622 Neu sw

LinkedIn hat sich zur führenden Plattform für personenzentrierte Kommunikation entwickelt und bleibt auch nach Corona ein Dreh- und Angelpunkt für Business-Netzwerke. Im Interview erklärt Daniel Rehn, Head of Executive Communication bei Achtung!, wie die Plattform sich gewandelt hat und welche Trends sich für die Zukunft abzeichnen. Ob Corporate Influencing oder strategische Nutzung durch Kommunikationsabteilungen – LinkedIn bietet heute weit mehr als reine Vernetzung, sondern schafft echte Einblicke und Dialoge.


Das Jahr neigt sich dem Ende zu und bald beginnt die Zeit der Ausblicke und Prognosen. Ich möchte jedoch mit Fragen zum Status quo beginnen. Ist LinkedIn die wichtigste Social-Media-Plattform unserer Zeit?

Kommt drauf an, wen man fragt. (lacht) Aber so viel kann ich sagen: LinkedIn war und ist einer der großen Corona-Gewinner.

Um das zu verdeutlichen: Vor Corona hatte LinkedIn in der DACH-Region rund 14 Millionen registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Neueste Zahlen sprechen von circa 25 Millionen in der DACH-Region. Knappe acht Millionen davon sind monatlich aktiv und mindestens eingeloggt.

Im geschäftlichen Kontext gibt es somit keine andere Plattform, die so stark im Fokus steht.

Wie hat LinkedIn diesen Sprung geschafft? Das geschah doch nicht über Nacht.

Corona war der absolute Beschleuniger einer Entwicklung, die schon viel früher begonnen hatte.

Im Sommer 2016 übernahm Microsoft die Plattform für rund 26 Milliarden US-Dollar. Aus heutiger Sicht ein Schnäppchen. Aus dem Business-Network als Jobbörse wurde kurz darauf ein Business-Content-Network mit einem viel klareren Fokus auf die Inhalte der Mitglieder.

Es dauerte jedoch noch einige Zeit, bis der eigentliche Boom einsetzte. Die Plattform wurde zwar wahrgenommen, musste aber noch ihr verstaubtes Image ablegen. Viele hielten sie für eine internationale Variante von XING, das damals in Deutschland noch recht erfolgreich als Platzhirsch agierte.

Dann kam Corona …


... und wir alle begannen, von zu Hause aus zu arbeiten.

Vereinfacht gesagt: Ohne den Austausch im Büro, in Meetings oder auf Konferenzen brauchten wir eine Anlaufstelle, um auch über berufliche Dinge sprechen zu können. LinkedIn, das sich bis dahin gewandelt hatte, war genau die richtige Antwort auf dieses Bedürfnis.

Die Mechanik zum Schreiben von Beiträgen hatten wir in den Jahren zuvor von Facebook gelernt. Das richtige Bild für Posts zu finden, das kannten wir von Instagram. Jetzt kam die Job-Komponente hinzu, ergänzt um eine viel persönlichere Note.

Denn egal ob am Anfang der Karriere oder als CEO: Am Küchentisch mit dem Laptop als Büroersatz waren wir alle gleich.

Heute sind wir zurück im Büro, arbeiten remote und hybrid. Aber LinkedIn begleitet uns immer noch.

Im Hier und Jetzt. Was macht den Reiz von LinkedIn aus?


Wir können mit drei Perspektiven arbeiten.

Für Unternehmen ist LinkedIn eine ideale Plattform, weil es Raum schafft für die sonst so starr erscheinenden Corporate-Themen. Employer Branding, Karriere, ESG, ja selbst trockene Geschäftsberichte und Quartalszahlen lassen sich hier in einem Umfeld kommunizieren, das nicht so schnell und poppig dreht wie Instagram oder TikTok. Vor allem, weil man eine entsprechende Klientel ansprechen kann. Business-Themen ziehen Business-Interessierte an.

Für Personen ist LinkedIn wiederum ein Ort, um die eigene Entwicklung, Erreichtes, Erlebtes und Erlerntes zu teilen. Der Aufbau einer Reputation, von der man später zehren kann, funktioniert hier trotz der mittlerweile großen Zahl an Publizierenden nach wie vor gut. Vorausgesetzt, man bleibt als Nutzer aktiv am Ball und bringt sich mit Beiträgen und Kommentaren ein.

Und dann gibt es all jene, die einfach nur mit großem Interesse verfolgen, was die beiden erstgenannten Absender von sich geben. Jeder Post aus einem Unternehmen – insbesondere von Mitarbeitenden – ist ein kleiner Tag der offenen Tür. Es werden Einblicke gewährt, um sich ein eigenes Bild zu machen.

Wie gehen Unternehmen am besten mit dieser Entwicklung um?

Auch wenn Company Pages bei weitem nicht die Sichtbarkeit von Personenprofilen erreichen: Sie bleiben ein wichtiger Hygienefaktor für die Unternehmenskommunikation. Mit dem Wissen, dass LinkedIn für Redaktionen zu einem akzeptierten Recherchemedium geworden ist, können Botschaften und Themen bei regelmäßiger Bespielung gefestigt werden.

Ein Beispiel: Wie wichtig ist die Nachhaltigkeitsstrategie wirklich? Ist sie ein Punkt auf der dritten Ebene auf der Website-Navigation, der alle paar Jahre aktualisiert wird, oder ist sie ein regelmäßig bespielter Content-Strang auf LinkedIn mit Updates zu neuen Projekten und Meilensteinen? Für jene, die sich informieren und orientieren wollen, macht das schon einen Unterschied.

Begleitend dazu sehen wir immer mehr Vorstände, die aktiv in die Kommunikation eingebunden werden.


Was wiederum eine Reaktion auf die angesprochene Sichtbarkeit von Personenprofilen im Newsfeed ist. Die Unternehmensspitze im besten Fall strategisch an den Themen des Unternehmens teilhaben zu lassen, ist naheliegend.

Es ist aber auch ein Prozess und ein Ressourceneinsatz, auf den man sich einlassen muss. LinkedIn ist eine Dialogplattform und keine kommunikative Einbahnstraße. Nur Senden und bis zum nächsten Posting wieder verschwinden, funktioniert heute auch für C-Level nicht mehr.

Und in der Breite werden dann Corporate Influencer eingesetzt?


Genau. Ich kann mich nur wiederholen: Menschen interessieren sich für Menschen. Wir vertrauen einander mehr, als ich einem Unternehmen als Absender vertraue. Ebenso haben wir alle gelernt, dass ein CEO natürlich auch eine Agenda im Sinne seines Unternehmens verfolgt. Das ist völlig legitim.

Aber an der Basis, wo engagierte Menschen aus ihrem Berufsalltag berichten, der weit weg ist von der Flughöhe der Vorstandsetage, ist es umso echter.

Um beim Beispiel der Nachhaltigkeitsstrategie zu bleiben. Der Beitrag der Company Page zeigt mir, dass Nachhaltigkeit wichtig ist. Zum Beispiel, wenn ein neues Projekt abgeschlossen wird. Der CEO vermittelt mir mit seinem Post zum Projekt, warum Nachhaltigkeit ein wichtiges Ziel ist, etwa im Sinne der unternehmerischen Verantwortung. Aber die Mitarbeitenden, die aus dem Projekt heraus immer wieder berichten, wie das Unternehmen ganz konkret Schritt für Schritt dadurch grüner wird, die sind für uns als Publikum am interessantesten, weil nachvollziehbarer.

Um den Bogen zurück zum Anfang zu schlagen: Es ist die Zeit für Prognosen. Als Trend Scout behältst du auch im Blick, was bei LinkedIn als Nächstes kommt. Worauf können wir uns einstellen?


Für das Jahr 2025 sehe ich drei Entwicklungen für LinkedIn, die man heute schon sehr gut beobachten kann:

Erstens: Die Professionalisierung der Nutzung der Plattform durch ihre Mitglieder nimmt weiter zu – und macht uns ein wenig müde.

Es gibt genügend Spezialistinnen und Spezialisten, die versuchen, den LinkedIn-Algorithmus zu knacken, um die perfekte Blaupause für erfolgreiche Beiträge zu liefern. Dementsprechend orientieren sich immer mehr Beiträge daran, um die bestmögliche Performance zu liefern. Die ideale Textlänge, der aktivierendste Aufhänger in der Headline, das perfekte Timing für die Veröffentlichung und so weiter und so fort.

Zusammen mit der Zunahme an Inhalten, die zum Teil auch durch den Einsatz von KI-generierten Texten immer generischer werden, nimmt uns das ein wenig den Spaß an der Entwicklung, die LinkedIn in letzter Zeit genommen hat.

Zweitens
: Persönlichkeit schlägt Leistung und Kompetenz ist besser als austauschbare KI-Texte.

Insofern ist das eine Gegenbewegung zur ersten Entwicklung. Ja, ich kann mein Profil und meine Beiträge komplett optimieren. Aber am Ende folgen Menschen anderen Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihrer Kompetenz und der Art und Weise, wie sie ihre Ansichten teilen.

Es muss dann zum Glück auch nicht gleich Thought Leadership sein, die man anstrebt. Aber ein ausgewähltes Thema inhaltlich und fachlich zu besetzen, ist ein guter Ausgangspunkt. Topic Leadership sozusagen. Das kann dann auch in den Kommentarspalten Dritter geschehen, um in einen aktiven Austausch zu treten. Ein Aspekt, der auf LinkedIn ohnehin noch viel zu kurz kommt. Der Kommentar ist der kleine Bruder des Posts und kann genauso viel bewirken, um auf das Radar der anderen zu kommen.

Und da LinkedIn uns (im Geschäftskontext) den nötigen Raum dafür lässt, wird es zum Dreh- und Angelpunkt der personenzentrierten Kommunikation für alle, die sich auf diese Bühne wagen und/oder sie weiter erschließen.

Drittens
: Kommunikationsabteilungen lernen LinkedIn noch mehr als Vehikel für ihre eigenen Ziele zu schätzen.

LinkedIn hat nicht nur als Plattform für die Nutzerinnen und Nutzer einen enormen Sprung gemacht. Auch Kommunikationsabteilungen spüren den Wandel. Unternehmensthemen, die auf Instagram oder Facebook keinen Platz fanden, haben hier eine ausgezeichnete Heimat gefunden.

Aber auch Redaktionen nutzen LinkedIn zunehmend. Wir sehen immer häufiger „Quelle: LinkedIn“ bei Zitaten und Erwähnungen in Online- und Printangeboten. Anfragen für ein Interview gehen zunehmend per Direktnachricht an den CEO statt an die Pressestelle. Auch das ist eine Entwicklung, von der die Unternehmenskommunikation profitieren kann, wenn sie sich dieser Chancen bewusst wird.

Die strategische Nutzung von LinkedIn nimmt weiter deutlich zu. Über die eigenen Angebote sowie über gezielt eingebundene Profile der Vorstandsebene bis hin zu befähigten Mitarbeitenden als Corporate Influencer können komplette Kommunikationssysteme entstehen, die aufeinander einzahlen. Man muss „nur“ alles entsprechend sortieren und orchestrieren. Im Idealfall wird auch hier darauf geachtet, dass eher Entwicklung #02 als Entwicklung #01 unterstützt wird, damit die Köpfe des Unternehmens dieses so greifbar und nahbar wie möglich machen.